Fischsterben vor Sylt:Todesfalle für Heringe

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Weiter werden tote Heringe an den Strand von Sylt gespült. Inzwischen scheint klar: Ein Zusammenspiel von Algen, Ostwind und Makrelen ließ die Fische ersticken.

Martin Kotynek

Das Fischsterben vor der Nordseeinsel Sylt geht weiter. Am Sonntagmorgen wurden - wie schon am vergangenen Freitag - hunderttausende tote Jungheringe an den Weststrand der Insel gespült.

Tote Heringe vor Sylt: Von Makrelen gejagt (Foto: Foto: Wasserschutzpolizei / ddp)

Die Fische liegen in einem etwa einen Kilometer langen Streifen nördlich von Westerland. Biologen haben nun die Ursache für das Massensterben genannt: Eine ungewöhnliche Wetterlage habe das Meerwasser so umgeschichtet, dass sauerstoffarmes Wasser aus der Tiefe an die Küste gelangt sei. Darin würden die Fische ersticken.

"Seit etwa zehn Tagen herrscht hier starker Ostwind vom Land, der das Oberflächenwasser von der Westküste weggetrieben hat", sagt Norbert Grimm, Meeresbiologe und Umweltschutzbeauftragter der Insel. "Zum Ausgleich strömt das Tiefenwasser an den Strand." Dieses Wasser sei jedoch sauerstoffarm, da in der Nordsee zur Zeit die Algenblüte stattfinde.

Wie jedes Jahr schwimmen große Mengen der Schaumalge Phaeocystis globosa im Wasser. Sterben die für den Menschen ungefährlichen Algen ab, sinken sie zu Boden und werden von Bakterien zersetzt. Die Bakterien verbrauchen dabei Sauerstoff, der dann im Tiefenwasser fehlt.

Die kugelig geformten Hüllen der Einzelzellen der Alge sind mit bloßem Auge erkennbar. Auch Satellitenbilder, die die Bundesanstalt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg ausgewertet hat, bestätigen, dass die Algenblüte vor Sylt derzeit ihren Höhepunkt erreicht hat. Durch die Wasserzirkulation, die vom Ostwind ausgelöst wurde, sei das sauerstoffarme Wasser in diesem Jahr an die Küste gespült worden, berichtet Grimm.

Keinen Hinweis auf Gifte im Wasser

Das sei auch an der braunen Färbung des Wassers zu erkennen: "Dabei handelt es sich um abgestorbene Algen aus der Tiefe", so Grimm. Genau an diesem Strandabschnitt halte sich zur Zeit ein Schwarm junger Heringe auf. Diese Fische werden von Makrelen gejagt.

Auf der Flucht würden sie immer wieder in die sauerstoffarme Küstenzone geraten. "Die Fische ersticken darin", sagt Ulrich Sommer, Meeresbiologe am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel. Bis das Tiefenwasser an der Küste Sauerstoff aus der Luft nachgeladen hat, brauche es einige Zeit.

Eine andere mögliche Erklärung seien giftige Stoffe, die ins Wasser eingeleitet worden sein könnten. Der Meeresbiologen Grimm nennt das jedoch unwahrscheinlich: "Außer den Jungheringen haben wir keine anderen Fische am Strand gefunden. Ich kenne kein Gift, das ausschließlich auf junge Heringe wirkt."

Dennoch hat die Wasserschutzpolizei Wasserproben genommen. Am Dienstag will sie das Resultat der Wasseranalyse bekannt geben. "Die meisten Ergebnisse liegen schon vor", sagt Bernd Ahlsdorf, Geschäftsführer des Analytik-Labors Nord in Heide, das die Proben untersucht: "Bisher haben wir keine Hinweise auf Gifte im Wasser gefunden."

Behalten die Biologen recht, ist ein Ende des Fischsterbens in Sicht. Die ungewöhnliche Wetterlage auf Sylt soll sich nämlich ändern. Der Deutsche Wetterdienst sagt von Montagnacht oder Dienstagmorgen an mäßigen Wind aus nordwestlichen Richtungen voraus.

© SZ vom 11.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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