Feuerökologie:Die Feuer feuern sich selbst an

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Wenn Wälder nicht durchforstet werden, gehören Brände wie in den USA zum Lebenszyklus der Ökosysteme.

Angelika Jung-Hüttl

(SZ vom 5.9.2000) - Grauer Dunst hängt in der Luft. Er verdunkelt die Sonne, und das Atmen fällt schwer. "Viele Menschen hier im Tal von Bitterroot fühlen sich an den Ausbruch des Mount St. Helens erinnert", sagt John Knorr vom National Interagency Fire Center (NIFC), dem US-Zentrum zur Waldbrandbekämpfung. Auch bei der verheerenden Vulkaneruption vor 20 Jahren war es im Tal von Bitterroot im amerikanischen Bundesstaat Montana stickig und die Sonne kaum am Himmel zu erkennen.

Ein Löschflugzeug lässt am 11. Juni 2002 seine Ladung über West Glenwood Springs in Colorado ab (Foto: N/A)

Jetzt füllen die verheerende Brände, die in den nur dünn besiedelten Waldgebieten wüten, die Luft mit Rauch und Staub. 72 Häuser haben sie im Bitterroot und im angrenzenden Missoula-Tal zerstört. Die Menschen wurden rechtzeitig evakuiert.

Schlimmer als je zuvor

Viele Feuerwehrleute, die gegen die Flammen kämpfen, bezeichnen die Brände in dieser Sommersaison im amerikanischen Westen als die schlimmsten, die sie je erlebten. Die Feuer lodern hoch über die Baumkronen hinaus und scheinen sich besonders schnell aus zu breiten. Beim NIFC kennt man die Ursachen: Die Wälder bieten viel Brennstoff, heißt es dort. Je mehr Brennstoff vorhanden ist, desto größerist die Hitze, die die Feuer entwickeln, und desto schneller dehnen sie sich aus.

Die heiße aufsteigende Luft saugt am Boden kalte Luft nach. Stürme entstehen mit Windgeschwindigkeiten bis zu 200 Kilometern in der Stunde. So führt sich das Feuer selbst immer wieder Sauerstoff zu und erhält sich am Leben. Die große Hitze in der Umgebung der Flammen trocknet die Vegetation im Vorfeld der Brände aus und macht sie dadurch besonders leicht entzündbar.

Berichte von Piloten

Piloten von Löschflugzeugen berichten von brennenden Pflanzenteilen, die bei Großfeuern mit den starken Winden Hunderte Meter hoch in die Luft gerissen und verweht werden. Landen diese noch brennend anderswo wieder auf der Erde, kann dort ein neues Feuer auflodern.

Nach Angaben der Feuerexperten des NIFC haben die Waldbrände dieses Jahres im Westen der USA bisher insgesamt 16200 Quadratkilometer versengt, eine Fläche etwa halb so groß wie Baden-Württemberg. Am 29. August standen in 13 amerikanischen Bundesstaaten 6400 Quadratkilometer Wald in Flammen. Nach Berechnungen von Klimaexperten der Umweltschutzorganisation World Wide Fund of Nature (WWF) geraten dabei etwa 154 Millionen Tonnen des Klimagases Kohlendioxid in die Atmosphäre. Zum Vergleich: Die deutschen Haushalte erzeugen im Jahr 120 Millionen Tonnen. "Das heizt den Treibhauseffekt an", sagt WWF-Mitarbeiter Oliver Rapf in Frankfurt.

Rauch verhindert Regen

Rauch, Asche und aufgewirbelter Staub beeinflussen das örtliche Wetter. Sie bilden Kondensationskeime in der Atmosphäre, welche die winzigen Wassertröpfchen an sich binden. Die Tröpfchen halten sich dann fein verteilt als Dunst in der Luft. Sie können sich nicht zusammenschließen und so groß anwachsen, dass sie als Regentropfen zur Erde fallen. Dies ergaben Studien während der Waldbrände 1998 in Borneo, an denen auch die amerikanische Weltraumbehörde NASA beteiligt war. "Damit schließt sich im Grunde genommen ein Teufelskreis", sagt Rapf. Denn Regen könnte die Brände löschen.

Eine wesentliche Ursache für die Vehemenz der Waldbrände ist nach Meinung amerikanischer Umweltschützer das Feuermanagement der US-Regierung. Die Forstämter hätten zu sehr auf die Vermeidung und Unterdrückung von Feuersbrünsten gesetzt. Die New York Times berichtet darüber, dass die Holzindustrie sich die größten Bäume, die der Gluthitze am besten widerstehen könnten, aus den Wäldern hole. Zudem seien die Aufforstungsgebiete viel zu dicht bepflanzt und nicht gut gepflegt worden. Viele hätten sich zu "Geisterwäldern" entwickelt, mit trockenen, kranken Bäumen, die wie Zunder brennen.

Umstrittene Taktik

Vor allem die Taktik, kleine Brände so schnell wie möglich zu löschen, war nach Meinung der Naturschützer nicht gut für die Wälder. Denn Feuer sei ein Teil der Natur. Kleine Feuer, in den USA in der Regel durch Blitzschläge ausgelöst, reinigen in den nicht wie in Deutschland durchforsteten Wäldern die Böden und erlöschen meist wieder von selbst. Bleiben sie aus, ersticken die Wälder. Ausgedörrtes Pflanzenmaterial sammelt sich an und schädliche Insekten machen sich breit. Wenn dann ein Feuer ausbricht, kann es wie jetzt zur Katastrophe kommen.

Waldbrände schon in der Erdgeschichte

Die meisten dieser Wälder unterliegen einem Zyklus von Aufbau und Zerstörung, der - je nach Art der Vegetation und des Klimas 10, 50, oder auch 100 bis 300 Jahre dauern kann. Seit 300 Millionen Jahren gibt es Wälder auf der Erde. Sie fielen immer wieder Bränden zum Opfer. Davon zeugen die Holzkohleschichten zwischen den Flözen der Steinkohle. Neben Blitzschlag zählten die Funken durch Steinschlag und Vulkanimus zu den natürlichen Auslösern von Feuersbrünsten in der Erdgeschichte.

Beispiel Yellowstone

"Der Yellowstone Nationalpark in den USA ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie gut sich die Wälder nach Bränden wieder regenerieren", sagt Florian Resch, Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Feuerökologie von der Außenstelle des Max-Planck-Instituts für Chemie in Freiburg. 1988 wüteten von Mai an insgesamt 241 Brände, die zuerst sich selbst überlassen, dann erfolglos bekämpft wurden. Sie frassen sich zeitweise mit einer Geschwindigkeit von dreieinhalb Kilometern pro Stunde in die Wälder hinein. Erst im November wurde der letzte Feuerherd vom ersten Schneefall gelöscht. Insgesamt waren 3212 Quadratkilometer, mehr als ein Drittel des größten Nationalparks der USA, versengt. Doch schon im Jahr danach wurden die abgebrannten Flächen wieder grün und die Tiere waren wieder eingezogen. Heute existiert dort ein gesundes Ökosystem.

Brände in Südeuropa

Im Gegensatz zu den Waldbränden in den USA, die meistens von Blitzschlägen ausgelöst werden, entstehen die Feuersbrünste in den Ländern Südeuropas häufig durch die Unachtsamkeit der Menschen oder Brandstiftung. Dass dort derzeit so viele Wälder Feuer fangen, hat nach Meinung des Feuerökologen Christoph Neff von der Universität Mannheim auch kulturgeschichtliche Gründe: Die Landflucht hat in den letzten 50 bis 100 Jahren die Landschaft verändert. Die Pflanzungen wurden nicht mehr gepflegt und sind von Buschwerk überwuchert. Wenn es in der sommerlichen Hitze austrocknet, genügt oft schon ein kleiner Funke, um einen Flächenbrand zu entzünden.

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