Falling Walls Lab:Wie man Kuhfladen mit Sauerkraut haltbar macht

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100 junge Wissenschaftler haben auf der Falling Walls Konferenz in Berlin jahrelange Forschung in nur drei Minuten erklärt. Es ist eine Art Gladiatoren-Wettkampf für die jungen Wilden der Wissenschaft.

Christoph Behrens

Bei der Herstellung von Sauerkraut fällt Sauerkrautsaft ab, der weggeschüttet wird. Mit ihm ließen sich Kuhfladen haltbar machen. Und das wäre äußerst sinnvoll, sagt der Gewinner des Falling-Walls-Lab-Wettbewerbs. (Foto: dpa)

Andreas Stute wirft drei Bälle in die Luft und erklärt so Quantenphysik. "Jedes Teilchen kann in einem Quantencomputer mit jedem interagieren", sagt er. Der Physiker fängt die Bälle auf und kramt zwei Spiegel aus seiner Tasche. Er hält einen vor, einen hinter sich - sein Abbild erscheint ihm bis in die Unendlichkeit. "Auch Quanten sind narzisstisch. Sie senden Photonen aus, die man auffangen kann." Er blickt in den Saal. "Damit konstruieren wir unser Quanten-Internet."

Jetzt hat er die Aufmerksamkeit der Juroren sicher, unter staunenden Blicken erläutert er die Idee eines Quanten-Netzwerks. Viel Zeit bleibt nicht mehr, ein lautes "Klirr" aus dem Lautsprecher markiert das Ende seiner drei Minuten Redezeit. Applaus, der Lockenschopf verbeugt sich. Der nächste junge Wissenschaftler eilt auf die Bühne, die Uhr tickt bereits.

Stute ist einer von 100 jungen Forschern, die beim Falling Walls Lab in Berlin miteinander in Kurzvorträgen wetteifern. Es ist eine Art Gladiatoren-Arena für die jungen Wilden der Wissenschaft. Kaum einer hier ist über 30. Als Belohnung winken den besten drei Rednern ein Preisgeld und die Chance, ihre Idee am nächsten Tag vor Parlamentariern, Nobelpreisträgern und Konzernlenkern abermals zu präsentieren.

Die Konkurrenz ist hart, die Ideen krass: Zizung Yoon von der TU Berlin will 150 Mini-Satelliten in die Umlaufbahn schießen, um ein Frühwarnsystem für Naturkatastrophen aufzubauen. Der Schweizer Philipp Zimmermann hat eine solarbetriebene Trinkwasseraufbereitungsanlage entworfen. Der Wirtschaftswissenschaftler Patrick Vogel hat ein intelligentes Auto entwickelt, das bereits selbstständig durch Berlin und Mexiko-Stadt kurvt.

Bald nimmt man nur noch Stichworte auf - Urknall, Antarktis, Dunkle Materie. Es ist eine Überdosis Information. Auch die Juroren des Falling Walls Lab fordert es heraus, dabeizubleiben - doch es lohnt sich. "Gut möglich, dass unter den Teilnehmern ein künftiger Nobelpreisträger ist", sagt Mitorganisator Reinhard Hüttl, Präsident der Deutschen Akademie der Wissenschaften Acatech. Und die jungen Wissenschaftler sollen lernen, sich der Öffentlichkeit zu stellen. Nur dann nutze Forschung auch den Menschen, sagt Hüttl.

"Das ist Scheiße"

So einen Nutzen könnte die Entdeckung von Thomas Rippel haben. Der Schweizer zeigt das Bild eines Kuhfladens. "Das ist Scheiße", sagt er. Bauern bräuchten den Dünger zwar für ihre Felder, müssen ihn aber oft monatelang aufbewahren. Dabei geht ein großer Teil der Nährstoffe als Ammoniak-Gas verloren, was zu saurem Regen und kranken Tieren führt - mehr als 600.000 Tonnen Nährstoffe jährlich verpuffen so allein in Deutschland.

"Wir sind ja hier im Sauerkrautland", sagt Rippel. Sauerkraut könne man lagern, ohne dass es schlecht wird - Milchsäurebakterien schützen es vor pathogenen Keimen. Was also, fragt Rippel, wenn man Kuhdünger mit Sauerkrautsaft haltbar machen könnte?

Diese Idee ist der Jury den ersten Platz wert. Erste Projekte laufen in der Schweiz und in Deutschland bereits. "Wir schließen hier einen Kreislauf", sagt Rippel, denn Sauerkrautsaft ist ein Abfallprodukt, das zu Millionen Litern pro Jahr weggekippt wird. "Es ist nützlich", "das ist die Lösung", "wir haben es geschafft" - kaum einer vergisst, diese Botschaft in seine 180 Sekunden mit einfließen zu lassen.

In den Pausen tauschen die Nachwuchswissenschaftler Visitenkarten aus, oder stellen sich den Fragen der Journalisten. So wie Mai Thi Nguyen Kim. Es ist der nächste Tag, und die Heidelberger Chemikerin ist auf dem dritten Platz gelandet. Sie hat an Polyphenolen geforscht, Molekülketten, von denen sie hofft, dass sie Wirkstoffe gegen Krebs sicher in Zellen transportieren können.

Gleich soll die 25-Jährige ihren Vortrag vor Abgeordneten und renommierten Forschern wiederholen. Gerade hat vier Stockwerke tiefer Annette Schavan gesprochen, als Nächstes ist sie dran.

"Wenn ich jemandem erzähle, dass ich Chemikerin bin, werde ich oft komisch angeschaut", sagt Nguyen Kim. "Dabei kann sich jeder in die Wissenschaft verlieben." Sie müsse nur besser kommuniziert werden, findet sie, und erzählt davon, wie sie sich als Gastwissenschaftlerin am MIT in Boston selbst in die Forschung verliebt hat. Dann muss sie los, die Abgeordneten warten.

© SZ vom 12.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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