Experimente mit Mischwesen:Kaninchen, Kühe und Krankheiten

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Kritiker sprachen von "Frankenstein-Experimenten", Befürworter von einem "großen Schritt für die Forschung". Im April gab die Newcastle University bekannt, Embryonen aus menschlichem Erbgut und Eizellen von Kühen erzeugt zu haben.

Hanno Charisius

Die Meinungen über ein zellbiologisches Experiment könnten kaum weiter auseinandergehen: Kritiker sprachen von einem Desaster und nannten die Versuche "Frankenstein-Experimente", Befürworter sahen einen "großen Schritt für die Forschung". Im Januar hatte die zuständige britische Behörde HFEA dem Stammzellenforscher Lyle Armstrong von der Newcastle University eine Sondergenehmigung erteilt, damit er Embryonen aus menschlichem Erbgut und Eizellen von Kühen schaffen durfte.

Anfang April gab die die Newcastle University die Erzeugung der umstrittenen Mischwesen bekannt. (Foto: Foto: iStock)

Anfang April hatte die Universität die Erzeugung dieser Mischwesen bekanntgegeben. Nach drei Tagen seien die Embryonen im Labor zerstört worden. Damit hatte hatte Armstrong Tatsachen geschaffen, noch bevor das Unterhaus in London die Entscheidung fällte, nach der die Produktion solcher "cytoplasmatischer Hybride" weiterhin erlaubt ist.

Anfänge in Amerika

Bereits im November 2006 hatten zwei Forschergruppen bei der HFEA, die in Großbritannien über die Embryonenforschung wacht, die Erlaubnis beantragt, menschliches Erbgut in Eizell-Hüllen von Tieren transplantieren zu dürfen. Diese Konstrukte wollten sie im Labor zu einem Embryo heranreifen lassen und daraus embryonale Stammzellen für Forschungszwecke gewinnen.

Nun steht ihrer Forschung nichts mehr im Wege, gleichwohl jedes ihrer Experimente von einem Untersuchungsausschuss genehmigt werden muss. Von menschlichen Stammzellen erhoffen sich Mediziner, dass sie einmal als Ersatzgewebe dienen könnten, um Krankheiten zu heilen.

Von ersten Experimenten berichteten Forscher der amerikanischen Biotech-Firma ACT 1998. Sie hatten menschliche Hautzellen in Eizellen von Kühen verpflanzt und aus dem entstandenen Embryo Stammzellen gewonnen. Südkoreanische Forscher wollen das Experiment 2002 wiederholt haben. Chinesische Forscher haben 2003 berichtet, dass sie einen Embryo aus Kaninchen-Eizelle und menschlichem Erbgut hergestellt hätten.

"Wenn es hilft..."

In Deutschland werden solche Experimente durch das Embryonenschutzgesetz strikt untersagt. Und so betonte ein Sprecher des Forschungsministeriums denn auch nach der britischen Entscheidung: "Die Herstellung von Chimären ist in Deutschland verboten und wird es auch bleiben."

Zweifel an der deutschen Rechtslage äußerte dagegen der SPD-Experte René Röspel. Es gebe Stimmen, die darauf hinwiesen, dass einige der in Großbritannien diskutierten Technologien zur Chimären-Produktion durch das deutsche Embryonenschutzgesetz nicht verboten seien. "Daher muss sich der Bundestag die Frage stellen, ob eine Klarstellung der Ablehnung der Herstellung von Chimären geboten und erforderlich ist", sagte Röspel.

61 Prozent der befragten Briten sind übrigens mit der Erzeugung von Hybrid-Embryonen einverstanden, "wenn es hilft, eine Krankheit zu verstehen". Nur ein Viertel der Befragten lehnte die Forschung rundweg ab. Der Nutzen der Hybrid-Zellen ist allerdings auch in Forscherkreisen umstritten. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft zum Beispiel bezeichnet sie als wissenschaftlich problematisch und wenig zielführend.

© SZ vom 21.05.2008/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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