Elektroschrott:Der Kampf um die Quote

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Alte Geräte müssen zur Hälfte wiederverwendet werden - das ist vor allem bei Plastikgehäusen kompliziert.

Michael Fuhs

Die neue Zeitrechnung ist nun drei Monate alt: Seit Ende März 2006 verlangt das neue Elektro- und Elektronikgerätegesetz eine gesonderte Entsorgung alter Radios, Computer, Mixer und Telefone. Da sie nun nicht mehr in den Hausmüll geworfen werden dürfen, hatten Experten erwartet, dass sich die Abfallströme neu ordnen und neue Demontage- und Verwertungstechniken entwickelt werden. Doch um ein Zeichen zu setzen, hat die Deutsche Umwelthilfe damit begonnen, Unternehmen auszuzeichnen, die wiederverwerten anstatt zu recyclen. Gleich zu Anfang war eine Firma dabei, die alles so macht wie immer.

Das Ende der elektrischen Unterhaltung: Um den Schrott zu bewältigen, werden die Geräte auseinander genommen und ausgeschlachtet. (Foto: Foto: AP)

Die Beschäftigungsgesellschaft Werkstatt Frankfurt sammelt alte Geräte, setzt sie wo möglich in Stand und verkauft sie dann in einem Gebrauchtwarenladen. Wenn nicht mehr das ganze Gerät, dann Ersatzteile. "Oberstes Ziel des neuen Elektro-Gesetzes ist die Eindämmung der wachsenden Mengen von Elektroschrott", erklärt Eva Leonhardt von der Umwelthilfe, "und das wird in Frankfurt besonders gut umgesetzt."

Staubsauger, die dort als unrettbar defekt ausgemustert werden, gehen unter anderem an die Firma ZME Elektronik in Heuchelheim. Dort zeigt sich, dass die Sortierung der Geräte sinnvoll ist, auch wenn sie nicht mehr funktionieren. "Die meisten Staubsauger enthalten zum Beispiel nur zwei Sorten Kunststoff ", sagt Geschäftsführer Bernhard Jehle. Sie ließen sich relativ einfach sortieren und wieder zu demselben Kunststofftyp einschmelzen. Daraus können dann neue Staubsaugergehäuse gebaut werden.

Doch solche Lösungen sind eher die Ausnahme. Da die Hersteller seit dem 24. März für die Entsorgung der Geräte bezahlen müssen, bevorzugen die meisten großtechnische Lösungen. "Für sie steht der Preis an erster Stelle", sagt Eva Leonhardt. Kommunale Beschäftigungsfirmen, die das Sammeln, Zerlegen und Sortieren per Hand subventionieren, um den Arbeitsmarkt zu entlasten, profitieren weniger von dem neuen Gesetz.

Bei den großtechnischen Verfahren gelingt es jedoch oft nur durch Tricks, die vorgeschriebenen Recyclingquoten einzuhalten. Zu den problematischsten Gerätegruppen zählen die Haushaltskleingeräte wie Staubsauger und Geräte der Kommunikations- und Unterhaltungselektronik. Zusammen machten sie etwa ein Viertel der 1,1 Millionen Tonnen Elektroschrott aus, die 2005 angefallen sind.

Verbrennen zählt nicht

Haushaltskleingeräte müssen in Zukunft bezogen auf ihr Gewicht zu 50 Prozent "stofflich" verwertet werden. Stoffe aus dem Abfall sollen also möglichst Rohstoffe beim Bau neuer Geräte ersetzen. Mindestens aber müssen die stofflichen Eigenschaften des Abfalls genutzt werden, eine "energetische Verwertung" aber, sprich das Verbrennen zur Erzeugung von Strom oder Wärme, zählt nicht.

Um mit den erwarteten Massen Elektroschrott zurechtzukommen, hat zum Beispiel die Firma Remondis Elektrorecycling in Lünen die nach ihrer Aussage "größte und modernste Rückbauanlage in Europa" gebaut. Dort werden im ersten Schritt die Geräte mechanisch aufgebrochen und von Hand besonders stark mit Schadstoffen kontaminierte Bauteile herausgelesen. Danach geht es vollautomatisch weiter. Metalle, Schwermetalle und Kunststoffe werden in mehreren Stufen getrennt.

Geschäftsführer Gerhard Jokic ist sich sicher, "wir schaffen die vorgeschriebenen 50 Prozent Verwertungsquote bei den Haushaltskleingeräten, wir werden sogar weit darüber liegen." Er ist auch überzeugt, dass vernünftiges Recycling am Ende mehr wert ist als die Wiederverwertung alter Geräte. Die Technik ändere sich schließlich. "Niemand will auf einen Flachbildschirm verzichten und einen Röhrenmonitor kaufen oder ein Gerät, das aus einem veralteten Kunststoff besteht, nur weil es der Wiederverwertung dient."

Wie hoch die Recyclingquote am Ende wirklich ist, hängt aber vor allem davon ab, zu welchem Teil das Granulat aus Kunststoff verwertet wird, das in der Anlage anfällt. Es macht etwa 50 bis 60 Gewichtsprozent der Kleingeräte aus und ist das Sorgenkind der Verwerter; Remondis gibt es an einen Spezialisten weiter. Das Granulat ist ein Mix aus vielen verschiedenen Plastiksorten.

Weil der Schrott aller Geräte gemeinsam gesammelt und geschreddert wird, lassen sich die Körner kaum noch nach Material trennen. Genau das möchte die Firma Metall und Recycling in Bergkamen aber versuchen. "Unser Ziel ist es, einen verkaufsfähigen Kunststoff für technische Anwendungen zu produzieren", sagt Mitarbeiter Stefan Corbach.

Wie gut das geht und wie hoch die Verwertungsquoten sein werden, will er noch nicht verraten. Zu hoch ist zurzeit der Konkurrenzdruck in der Branche. Denn ab dem 1. Januar 2007 müssen die Firmen Rechenschaft über die Quoten ablegen; bis dahin gelten diese zwar, werden aber nicht kontrolliert.

Eine andere Nutzung des Kunststoff-Granulats schwebt dem Sustec-Verwertungszentrum im Industriepark Schwarze Pumpe bei Dresden vor. Dort soll der Mix bei 800 bis 1300 Grad Celsius und unter hohem Druck umgeformt werden. "Wir nutzen die Kohlenwasserstoffe des Kunststoffes zur Erzeugung von Synthesegas", sagt der Sustec-Mitarbeiter Rainer Giering.

Es besteht aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid und kann zur Produktion von neuem Kunststoff oder zum Beispiel auch von Methanol verwendet werden. Daher ist der Prozess bereits als stoffliche Verwertung anerkannt worden, sagt der Firmensprecher Lutz Picard. Wird auch die Schlacke, die bei der Vergasung anfällt, als Baustoff wiederverwertet, erreicht die Firma eine Verwertungsquote von fast 100 Prozent.

Die Anerkennung als Methode der stofflichen Verwertung fehlt hingegen der Norddeutschen Affinierie noch. Der Metallproduzent möchte den Kunststoffmix in Kupferhütten zufeuern. "Wir arbeiten an Verfahren, mit denen wir den Kunststoff in die Schmelze einblasen können", sagt Firmensprecher Thoralf Schlutzkus. Das klingt für die meisten Zuhörer zunächst wie einfaches Verbrennen, also die energetische Verwertung des Abfalls.

Geräte recyclingfreundlich gestalten

Gestützt auf chemisches Fachwissen argumentiert das Unternehmen jedoch, man nutze die stofflichen Eigenschaften des Kunststoffs: Denn die Kohlenstoffatome im Plastik wirken nicht nur als Energielieferant, sondern als sogenanntes Reduktionsmittel. Sie verwandeln Metalloxide in reines Metall, weil sie sich bei der Verbrennung den nötigen Sauerstoff aus dem Rohstoff holen, statt aus der Luft. Über diese Argumentation der Affinerie muss die zuständige Umweltbehörde noch entscheiden.

Ein Problem mit dem Kunststoff haben jedoch alle Verfahren: die Belastung mit Bromverbindungen. Diese konnten bisher als Flammschutzhemmer den Kunststoffgehäusen beigegeben werden (das ändert sich zum 1. Juli, siehe unten). Andreas Hornung am Forschungszentrum Karlsruhe hat deshalb ein Verfahren entwickelt, um Schadstoffe aus dem Elektroschrott zu entfernen. Dazu wird er bei 350 und 450 Grad Celsius unter Ausschluss von Sauerstoff zersetzt. Das Brom, das dabei gewonnen wird, zählt dann sogar selber als Rohstoff und trägt zur Recyclingquote bei. Die anderen Produkte, Metalle, Koks und Öle, "können sehr einfach zum Beispiel in Kupferhütten weiterverwertet werden", sagt der Forscher.

Ob das Verbrennen des Kunststoffs sinnvoll ist, ist aber umstritten. Bernhard Jehle von der Firma ZME hält es für einen Irrweg, solange es andere Möglichkeiten zum Recycling gibt. Denn zur Herstellung von Kunststoff aus Öl werde viel Energie benötigt. Wird der Kunststoff verbrannt, gehe sie verloren, auch wenn er als Reduktionsmittel dient. Das gilt im Prinzip auch für die Vergasung in der Schwarzen Pumpe. Sinnvoller wäre in jedem Fall das Trennen der verschiedenen Materialien.

Hier aber könnten sich die Hersteller die spätere Entsorgung selbst erleichtern, indem sie die Geräte gleich recyclingfreundlich konstruieren. "Wir sehen das bisher nur in Einzelfällen", sagt Eva Leonhart von der Umwelthilfe. Sie erklärt sich das psychologisch: Solange die Geräte aller Hersteller kollektiv gesammelt werden, "hat der Einzelne nichts davon, wenn er besser ist als die anderen."

© SZ vom 30.06.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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