Eizellen einfrieren:Baby-Bausatz fürs Leben

Lesezeit: 5 min

Für manche ist es eine der großartigsten Erfindungen seit der Anti-Baby-Pille: Immer mehr Frauen lassen ihre Eizellen einfrieren - für den Fall, dass sie in späteren Jahren noch schwanger werden wollen. Doch Eizellen sind bei weitem nicht so leicht zu gewinnen wie männliches Sperma.

Von Christina Berndt

Dieses laute Ticken sollte endlich aufhören. Und Christy Jones wusste sogar, wie sie sie verstummen lassen könnte, ihre nerv tötende biologische Uhr, deren Fortschreiten ihr immer lauter in den Ohren klang.

Das siegreiche Spermium dringt in die Eizelle ein. (Foto: Foto: dpa)

Als Jones 34 wurde, war sie sicher: Eines Tages wollte sie ein Baby bekommen. Nur mit welchem Mann, wusste sie noch nicht recht.

Und so fürchtete die nicht mehr ganz junge Amerikanerin, dass es um ihre Fruchtbarkeit gar nicht gut stehen würde, wenn sie endlich den potenziellen Vater ihrer Kinder treffen sollte.

So kam Christy Jones auf die Idee, ihre Eizellen für später einzufrieren. Und weil sie Absolventin der Harvard Business School ist, ahnte sie, dass auch andere Frauen viel investieren würden, um ihr reproduktives Kapital zu erhalten.

Im vergangenen Juni gründete die Mittdreißigerin deshalb in Boston ihre Firma namens "Extend Fertility", zu deutsch "Verlängere die Fruchtbarkeit". Sie bietet eine Art Eizell-Konservierungs-Service an. Ihr Slogan: "Stell deine biologische Uhr selbst!"

Natürlich wurde Jones die erste Kundin ihrer eigenen Firma. Zwölf Eizellen der geschäftstüchtigen Business-Frau lagern seither tiefgekühlt in flüssigem Stickstoff und warten auf den Tag, an dem Jones sich entschließt, sie aufzutauen und mit männlichem Sperma zu befruchten - sei es mit frischem von Mr. Right oder doch mit tiefgefrorenem von einem Samenspender.

"Ich weiß nicht, ob ich die Zellen jemals brauchen werde", sagt Jones, die schon mit 19 ihre erste Firma gegründet hat. "Aber wenn ich sie brauche, werde ich sehr froh sein, dass sie da sind."

Ein Baby-Bausatz, der nicht schlecht wird: Für die Kundinnen ist das Tiefkühl-Angebot von Extend Fertility eine der großartigsten Erfindungen seit der Anti-Baby-Pille.

Der Natur ein Schnippchen schlagen

Bedeutet es doch Selbstbestimmung pur. Der Natur hoffen die Frauen damit ein weiteres Schnippchen zu schlagen. Dabei ist das Einfrieren von Eizellen eigentlich für Patientinnen erfunden worden, die sich wegen einer Krebserkrankung einer Chemotherapie unterziehen müssen oder deren Fruchtbarkeit durch eine andere Krankheit verloren zu gehen droht.

Doch auch gesunde Frauen finden das Angebot reizvoll. Schließlich drohen nicht nur Krankheiten Mutterträume zu zerstören, sondern auch das Leben selbst.

Immer wieder warnen Gynäkologen junge Frauen davor, ihr Wunschbaby wegen der Karriere allzu lange warten zu lassen - sie haben damit allerdings keinen durchschlagenden Erfolg.

Jede fünfte Mutter ist heute bei der Geburt ihres ersten Kindes 35 Jahre oder älter. Zu diesem Zeitpunkt hat die Fruchtbarkeit aber bereits den Rückzug angetreten. Während eine Frau mit 30 Jahren pro Monat noch eine etwa 20-prozentige Chance hat, schwanger zu werden, ist diese im Alter von 40Jahren auf fünf Prozent gesunken.

"Ihre Angst ist real"

Das liegt vor allem daran, dass die Qualität der Eizellen, die schon von Geburt an in den Eierstöcken angelegt sind, mit der Zeit abnimmt. Sie sind der natürlichen Radioaktivität ebenso ausgesetzt wie giftigen Einflüssen aus der Nahrung.

Wenn eine Frau erst einmal zwischen 40 und 45 Jahre alt ist, sind in rund 80 Prozent ihrer Eizellen die Chromosomen abnormal angeordnet. Viele ältere Frauen versuchen deshalb verzweifelt und doch erfolglos, noch schwanger zu werden.

Vehement wehren sich Christy Jones und ihre Mitstreiterinnen deshalb gegen den Vorwurf, Extend Fertility würde die Ängste alternder Frauen ausbeuten: "Wir wollen ihnen nur neue Möglichkeiten offerieren", sagt Lisa Hansard vom Texas Fertility Center, wo den Kundinnen von Extend Fertility Eizellen entnommen und eingelagert werden. Die Fruchtbarkeit sinke nun einmal mit dem Alter. "Diese Angst ist real."

Für die Auszeit ihrer biologischen Uhr nehmen die Kundinnen einiges in Kauf. Denn Eizellen sind bei weitem nicht so leicht und auf so angenehme Weise zu gewinnen wie männliches Sperma.

Die Frauen legen nicht nur 15.000 Dollar auf den Tisch. Sie müssen sich zudem einer Hormonbehandlung unterziehen, wie sie auch vor einer künstlichen Befruchtung nötig ist:

Damit die Eierstöcke in einem Menstruationszyklus mehr als nur eine Eizelle produzieren, spritzen die torschlussgeplagten Frauen sich zehn Tage lang einen kräftigen Hormoncocktail unter die Haut. Die gebildeten Eizellen werden dann mit Hilfe einer Nadel aus den Eierstöcken herausgesaugt.

"Die Nebenwirkungen dieser Behandlung sind erheblich", sagt Klaus Diedrich von der Universitätsklinik in Lübeck. Verständnis hat der Reproduktionsmediziner trotzdem: "Der psychologische Effekt ist enorm: zu wissen, da liegen Eizellen, auf die man zurückgreifen kann."

Wechseljahre hinter sich

Diedrich hat deshalb prinzipiell nichts gegen das Angebot von Extend Fertility einzuwenden. Allerdings plädiert er dafür, die Eizellen aufzutauen, sobald die Besitzerin die Wechseljahre hinter sich hat und auf natürlichem Wege gewiss kein Kind mehr bekommen kann - das ist meist um die 50 der Fall.

Selbst wenn Christy Jones erst als 50-Jährige ihre Eizellen aus dem Eis holt, könnte sie vermutlich von den frisch gebliebenen Zellen profitieren. Ihre Chancen auf eine künstliche Befruchtung sind dann nicht einmal geringer als die jüngerer Frauen.

"Die Gebärmutter älterer Frauen kann eine Schwangerschaft noch gut managen", sagt Ulrich Schneider vom Reproduktionszentrum in Bad Münder. Der kritische Faktor sei das Alter der Eizellen, wie Ärzte im Jahr 2002 im Journal of the American Medical Association belegten.

Sie hatten den Baby-Erfolg älterer Frauen untersucht, die mit gespendeten Eizellen schwanger wurden - einer in Deutschland verbotenen Methode. "Es gibt keinen medizinischen Grund, Frauen allein aus Altersgründen von einer künstlichen Befruchtung auszuschließen", folgerten die Mediziner.

Trotzdem ist die von Christy Jones angebotene Fruchtbarkeitsversicherung nicht so verlässlich, wie ihre Kundinnen hoffen. Denn ob die Eizellen aus dem Eis auch zu Babys gedeihen, bleibt vorerst ungewiss. Während Spermien und eingefrorene Embryonen recht lebendig aus dem flüssigen Stickstoff auftauen, befindet sich die Kältekonservierung von Eizellen noch im Experimentierstadium.

Zerstörerische Kristalle

Weltweit wurden aus tiefgefrorenen Eizellen noch nicht einmal 100 Kinder geboren. "Bisher ist nur bewiesen, dass die Methode prinzipiell klappt", sagt Ulrich Schneider. "Über ihre Erfolgsquote weiß man viel zu wenig." Auch Christy Jones muss einräumen: "Die publizierten Ergebnisse sind noch nicht voluminös."

Das Problem mit den Eizellen: Sie sind erheblich empfindlicher als Spermien und Embryonen. Weil sie zu den größten Zellen des Körpers gehören, enthalten sie viel Wasser, das beim Einfrieren zerstörerische Kristalle bilden kann.

Auch beherbergen sie den wichtigen Spindelapparat, der die Zellteilung des sich entwickelnden Embryos koordiniert: Dieser Apparat verteilt die Chromosomen auf die neuen Zellen, so wie Gleise eine Straßenbahn in der richtigen Spur halten. Läuft dabei etwas schief, sind Missbildungen garantiert. "Angesichts der geringen Erfahrung mit dem Einfrieren von Eizellen kann man Chromosomenschäden nicht ausschließen", warnt Diedrich.

Motiviert durch den Vatikan

Dass die Konservierung von Eizellen in den letzten Jahren einen Aufschwung erfahren hat, ist ausgerechnet der katholischen Kirche anzurechnen: Unter dem Einfluss des Vatikans hat Italien eines der strengsten Reproduktionsmedizingesetze der Welt erlassen.

Seit Februar 2004 dürfen dort keine Embryonen mehr eingefroren werden - und auch keine Vorkernstadien wie in Deutschland: befruchtete Eizellen also, deren Kern gerade noch nicht mit dem Erbgut des Spermiums verschmolzen ist und die deshalb noch nicht als Embryonen gelten.

Akribisch haben italienische Wissenschaftler deshalb in den letzten Jahren nach anderen Methoden gesucht - mit Erfolg. So hat Eleonora Porcu von der Universität von Bologna eine Flüssigkeit entwickelt, in der die Eizellen das Einfrieren gut überstehen (European Journal of Obstetrics and Gynecology and Reproductive Biology, Bd.113, S.14, 2004).

Dank ihres Frostschutzes schaffe es jetzt jedes fünfte Ei zu einem Baby, sagt die Ärztin. "Das Einfrieren von Eizellen ist fast reif für die klinische Routine." Aber doch nur fast. Die American Society for Reproductive Medicine jedenfalls sprach sich noch im Oktober dafür aus, die Technik nur experimentell zu nutzen - und auch nur bei Frauen, deren Fruchtbarkeit durch eine Krankheit bedroht ist.

Keineswegs gleich Null

Ohnehin sei die natürliche Fortpflanzung zumindest bis Anfang Vierzig nicht nur angenehmer, sondern auch "unproblematischer und schneller", meint Klaus Diedrich.

Er schätzt den Baby-Erfolg mit den tiefgefrorenen Zellen deutlich geringer ein als seine italienische Kollegin Porcu. Zudem sinke die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft zweifelsohne mit dem Alter, doch sei sie in den Vierzigern keineswegs bei Null.

Womöglich sollten Ärzte und Familienminister ihre Warnungen also noch einmal überdenken. Nicht nur mit Blick auf Extend Fertility. In Großbritannien erreichte die Zahl ungewollter Schwangerschaften unter Enddreißigerinnen vor kurzem ein Rekordhoch.

Und hierzulande haben 2002 sogar mehr über 40-jährige Frauen abgetrieben als Teenager. Sie dachten eben, in ihrem Alter könnten sie gar nicht mehr schwanger werden.

© SZ vom 28.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: