Ehemalige Sowjetrepubliken:Gesundheitsrisiko Privatisierung

Werden ganze Industriezweige privatisiert, hat das weitreichende Folgen. In den ehemaligen Sowjetrepubliken führte der Umbau zu einer höheren Sterblichkeit.

Eva Maria Marquart

Werden Unternehmen privatisiert, verändert das den betroffenen Wirtschaftszweig und verunsichert die Mitarbeiter. Viele von ihnen verlieren bei Umstrukturierungen ihren Job.

Als in Russland viele staatliche Unternehmen auf einen Schlag privatisiert wurden, stieg die Arbeitslosenrate stark an und die Lebenserwartung fiel. (Foto: Foto: AP)

Wird jedoch nicht nur ein Unternehmen privatisiert, sondern trifft dies wie in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion ganze Industriezweige, hat das weitreichende Folgen für die Bevölkerung - bis hin zu einer verringerten Lebenserwartung. Zu diesem Ergebnis kommen britische Soziologen und Mediziner. Sie haben in einer Studie, die im Fachblatt The Lancet (online) veröffentlicht wurde, den radikalen Umbau von Wirtschaftssystemen untersucht.

Als sich die Forscher die Sterblichkeitsraten in 25 ehemals kommunistischen Ländern ansahen, stellten sie fest: Je mehr Menschen in einem Land nach der Wende zwischen 1991 und 1994 arbeitslos geworden waren, desto tiefer sank auch die Lebenserwartung.

Ein entscheidender Faktor war die Art, wie die Wirtschaft umgestellt wurde: Länder wie etwa Ungarn oder Polen privatisierten ihre Unternehmen nach und nach und konnten so langsam stabile Marktstrukturen aufbauen. Hier stiegen die Arbeitslosenrate und auch die Sterblichkeit nur wenig.

Wurden allerdings wie in Russland viele staatliche Unternehmen auf einen Schlag privatisiert und die Handelsregeln gleichzeitig liberalisiert, stieg die Arbeitslosenrate stark an und die Lebenserwartung fiel entsprechend.

Die Autoren kritisieren diese sogenannte Schocktherapie: Kapital könne einfach umgeschichtet werden, Menschen aber würden sich nicht so schnell an die neue Situation anpassen. Sozialer Stress und Verarmung führten zu mangelnder medizinischer Versorgung und einem ungesunden Lebensstil, dadurch sinke vermutlich die Lebenserwartung.

"Länder wie China, Indien, Ägypten oder auch der Irak, die damit beginnen, große staatseigene Wirtschaftszweige zu privatisieren, sollten diese Erkenntnisse berücksichtigen", empfehlen die Autoren.

© SZ vom 17.01.2009/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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