Edelsteine:Mikrowelle statt Mine

Lesezeit: 2 min

Ingenieure aus den USA wollen mit einem neuen Verfahren zur Herstellungs künstlicher Diamanten synthetische Edelsteine zum Produkt für die Massen machen. Die Idee hat sehr prominente Unterstützer gefunden.

Von Andrea Hoferichter

Auf den ersten Blick sieht Martin Roscheisen nicht wie jemand aus, der gerne dicke Klunker trägt. Und doch hegt der Informatiker eine Leidenschaft für Edelsteine. Im Silicon Valley, südlich von San Francisco, hat er die Firma Diamond Foundry gegründet. Das Startup soll künstliche Diamanten zum Massenprodukt machen - mit einer besonders energiesparenden und schnellen Herstellungsweise sowie einer milliardenschweren Männerriege im Hintergrund. Zu den Investoren zählen die Google-, Facebook- und Twitter-Gründer sowie der Schauspieler Leonardo DiCaprio.

Künstlich hergestellte Diamanten gelten als ethisch und ökologisch korrekte Alternative zu den in Minen gewonnenen Steinen. Labor- und Naturprodukt sind chemisch und physikalisch praktisch identisch: ein dreidimensionales stark geordnetes Gitter aus Kohlenstoffatomen, klar wie Glas und so hart wie kaum ein anderes Material. Dennoch sind im vergangenen Jahr nach Angaben des Diamantenhändlers DeBeer in London weltweit 140 Millionen Karat aus Minen gewonnen und nur geschätzte 250 000 Karat künstliche Schmuckdiamanten produziert worden. Noch ist der Naturdiamant das Massenprodukt.

Das Plasma in den Öfen ist so heiß wie das Glühen der Sonnenoberfläche

Das will Roscheisens Team ändern. "Wir können 100 Diamanten mit je 1,2 Karat in nur zwei Wochen produzieren, mit nur einem Zehntel der Energie, die etablierte Verfahren verbrauchen", sagt der Informatiker. Beim Hersteller Ila Technologies in Singapur sind das nach Unternehmensgaben 77 Kilowattstunden pro Karat, ungefähr soviel wie ein kleiner Kühlschrank in einem Jahr verbraucht und etwa die Hälfte der Energie, die für die Gewinnung eines Naturdiamanten nötig ist.

Wie die meisten Kunstdiamanten ist auch die kalifornische Variante ein Produkt aus der Mikrowelle. In den Öfen wird in einer Mischung aus Methan und Wasserstoff ein Plasma gezündet - eine hoch reaktive, leuchtende Gaswolke. Bei Drücken weit unter dem normalen Luftdruck verbinden sich dann Kohlenstoffatome aus dem Methan Schicht für Schicht zu lupenreinen Diamantkristallen.

Um das Verfahren zu optimieren, hat Roscheisens Team verschiedene Reaktionsmischungen und Reaktoren mit einer dafür entwickelten Software 10 000-fach simuliert. So konnte es unter anderem die Wege der plasmaerzeugenden Mikrowellen optimieren, die sich im Reaktor durch Überlagerungen verstärken oder auslöschen können wie Schallwellen in einem Raum. Geholfen habe, dass alle Ingenieure aus der Dünnschicht-Solarzellenbranche stammen. "Die Produktion von Diamanten ist nichts anderes als Dünnschicht dick gemacht", sagt der Firmengründer.

Schließlich haben die Ingenieure ein Reaktordesign gefunden, in dem sich ein Plasma mit besonders hoher Energiedichte erzeugen lässt und zwar nur dort, wo es auch benötigt wird. Das Plasma glühe rot, sei so heiß wie die Sonnenoberfläche und habe das Format eines Pfannkuchens, sagt Roscheisen. Zudem arbeite der Reaktor bei höheren Drücken als üblich und mit einer Kohlendioxidzugabe im Gasgemisch. Mehr Details will er aber nicht verraten.

"Viele qualitativ hochwertige Diamanten in einem so heißen, stabilen Plasma zu produzieren, wäre tatsächlich neu", sagt Christoph Nebel vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik in Freiburg. Was aber den Durchsatz der Kalifornier betreffe, könne man durchaus mithalten. In einem der Fraunhofer-Labors steht eine Diamantenmaschine, ein mannshohes Ei aus Edelstahl, in dem ein kühleres bläuliches Plasma brennt. "Darin können wir etwa 600 kleinere Diamanten gleichzeitig wachsen lassen und kommen so auch auf 120 Karat in zwei Wochen", sagt Nebel. Die Technik sei ausgereift.

Derweil plant Roscheisen eine weitere Produktionsstätte in Süddeutschland oder in der Schweiz, wenn möglich direkt neben einem Wasserkraftwerk. Zum einen wäre dann vor Ort Ökostrom verfügbar. Zurzeit sorgen noch Emissionszertifikate einer deutschen Solarfabrik für die Klimaneutralität der Edelsteine. Zum anderen ist es romantischer. "Wir lieben einfach die Idee eines idyllisch gelegenen Wasserkraftwerks als Geburtsort für unsere Diamanten", sagt der Ingenieur.

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: