Deutscher Zukunftspreis:Nominierung zurückgezogen

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Die Forscher um Axel Haverich wurden von der Liste für den Deutschen Zukunftspreis gestrichen. Ein bisher einmaligen Vorgang in der Geschichte des Preises.

Christina Berndt

Wenn der Bundespräsident am 3.Dezember verkündet, wer den Deutschen Zukunftspreis bekommt, hat er diesmal nur drei Kandidaten-Teams zur Auswahl.

"Tief getroffen und traurig." Axel Haverich verteidigte sein Vorgehen. (Foto: Foto: dpa)

Die vierte nominierte Forschergruppe um den Herzchirurgen Axel Haverich von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat die Jury am Dienstag in einem bisher einmaligen Vorgang in der zehnjährigen Geschichte des Preises wieder von der Vorschlagsliste gestrichen.

Die Jury schloss am Dienstag das Projekt zu "mitwachsenden Herzklappen für Kinder" aus, weil "Dritte auf Grund ähnlicher Versuche ebenfalls Schutzrechte auf diesem Arbeitsgebiet" beanspruchen, wie das Büro Deutscher Zukunftspreis mitteilte.

Im Anschluss an die Bekanntgabe der vier nominierten Forschergruppen am 14. Oktober hatte die Süddeutsche Zeitung über Bedenken gegen die Auszeichnung von Haverichs Team berichtet (SZ, 17.10.). Die Kritik entzündete sich sowohl an ethischen Fragen als auch an der Frage nach der Neuheit der Forschung. Der hannoversche Chirurg hatte verkündet, er habe erstmals in Deutschland einem herzkranken Kind eine mitwachsende Herzklappe implantiert.

Die Klappe stammte von einer Leiche und wurde von sämtlichen Zellen des toten Spenders befreit, bis nur das Kollagengerüst übrigblieb. Dieses wird im Körper des kranken Kindes von eigenen Zellen besiedelt. Die Klappe wachse mit dem Kind mit, erklärte Haverich, es müsste dann nicht so bald wieder operiert werden. Bewiesen ist das allerdings bisher nicht.

Haverichs Patient ist aber nicht das erste Kind, das in Deutschland eine Herzklappe mit diesem Potential erhalten hat. An der Berliner Charité arbeitet eine Gruppe um den Herzchirurgen Wolfgang Konertz seit Jahren an mitwachsenden Herzklappen nach dem gleichen Prinzip. Während Haverichs Team bis heute gut 20Personen weltweit mit dem Ersatzgewebe versorgt hat, hat Konertz seine Herzklappen bereits zur Marktreife gebracht.

"Die Klappen sind seit 2004 zugelassen; einige hundert Kinder haben sie bekommen", sagte der Berliner Chirurg, "Haverich ist jetzt da, wo wir 2000 waren." Zudem habe der Konkurrent aus Hannover ein Verfahren zur Patentierung angemeldet, das Patenten der Firma Autotissue, einer Charité-Ausgründung, "sehr ähnlich" sei, so Autotissue-Forschungsleiter Wilhelm Erdbrügger.

Ethische Bedenken

Neben Fragen nach der Neuheit gab es auch ethische Bedenken gegen Haverichs Vorgehen. Der Chirurg aus Hannover hatte seine Herzklappen nach Tests an Schafen zunächst Kindern in Moldawien eingepflanzt. Erst sechs Jahre später wagte er einen Eingriff bei einem deutschen Kind. Ethiker finden das befremdlich.

"Die Ehrung kann man dem Bundespräsidenten nicht empfehlen", sagt der Frankfurter Transplantationsethiker Hartmut Kliemt. Es wäre ein Anreiz für deutsche Forscher, ihre Versuche bei denen zu machen, "die sich nicht wehren können." Ethische Aspekte hätten bei der Denominierung Haverichs aber keine Rolle gespielt, betonte die Jury.

Haverich verteidigte am Dienstag sein Vorgehen und erklärte, er sei "tief getroffen und traurig". Er beharrte darauf, als erster Arzt Kindern mitwachsende Herzklappen implantiert zu haben. Vorgeschlagen hatte Haverichs Team die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Auch sie gesteht keinen Fehler ein.

Patentfragen zu klären, gehöre "nicht zu den Aufgaben der DFG", erklärte deren Präsident Matthias Kleiner. Die Jury für den Zukunftspreis wiederum rechtfertigt sich mit dem hohen Ansehen des Vorschlaggebers: "Die DFG zu überprüfen", so der Jury-Vorsitzende Günter Stock, "grenzt schließlich an Anmaßung".

© SZ vom 29.10.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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