Designbaby in England:Trügerische Versprechen

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Eine Gesellschaft, die sich der Illusion des perfekten Menschen hingibt, sperrt das Leben aus. Denn dazu gehören Krankheit, Tod und Schmerzen.

Nina von Hardenberg

Die Nachricht klingt gruselig, wie eine Szene aus Aldous Huxleys Roman über die "Schöne neue Welt": In England haben Eltern durch künstliche Befruchtung in einem Reagenzglas elf Embryonen hergestellt. Sechs verwarfen sie, weil Forscher bei ihnen einen Gendefekt entdeckten, der bei einem Mädchen später einmal zu Brustkrebs führen könnte. Zwei andere pflanzten sie der Mutter ein.

Künstliche Befruchtung: Nur die gesunden Embryonen haben eine Chance zu überleben. (Foto: Foto: ddp)

Pünktlich zu Weihnachten wird sie nun ein - nach heutigem Wissen - genetisch gesundes Kind zur Welt bringen. Auch Huxley beschreibt eine Welt, in der Babys genetisch manipuliert und optimiert werden. In dieser Welt sind zwar die Krankheiten überwunden, doch mit ihnen ist auch die Menschlichkeit verschwunden.

Elternliebe ist grenzenlos. Um ihr Kind vor Leid, Schmerzen und tödlicher Krankheit zu bewahren, würden die meisten Mütter und Väter wohl alles tun. Es ist daher verständlich, dass eine Familie, in der viele Verwandte an Brustkrebs erkrankten, diese Gefahr für das eigene Kind durch Präimplantationsdiagnostik (PID) im Vorhinein ausschließen wollte. Für die Gesellschaft ist eine solche Entwicklung dennoch dramatisch.

Keine Sicherheit

Das Versprechen, das die PID macht, ist trügerisch. Zwar können mit dem Verfahren jene Embryonen ausgesondert werden, die das kranke Gen in sich tragen. Doch auch ohne diese Veranlagung kann eine Frau niemals sicher sein, dass sie nicht erkranken wird. Denn das Gen ist nur die Ursache für fünf Prozent aller Brustkrebsfälle.

Umgekehrt hätte eine Frau mit dem Gendefekt zwar eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit zu erkranken. Aber es bleibt eine Wahrscheinlichkeit: Sie könnte ebenso gut gesund bleiben - um so mehr, wenn sie, da sie um die Veranlagung ihrer Familie weiß, regelmäßig zur Vorsorge geht.

Recht auf Fortpflanzungsfreiheit

Darf ein Kind allein deshalb schon nicht mehr leben, weil es eine Wahrscheinlichkeit in sich trägt, krank zu werden? Befürworter der PID argumentieren mit dem Recht auf Fortpflanzungsfreiheit. Doch es geht in dieser Frage um weit mehr als nur die Selektion eines erblich kranken Embryos im Reagenzglas.

Es geht um ethische Grundentscheidungen, die unsere Einstellungen zum Leben betreffen. Wenn aus dem Wunsch einer Familie, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, ein Recht abgeleitet wird, kranke Embryonen zu töten, dann verändert das auch den Blick auf Menschen mit Behinderung. Sie könnten deswegen diskriminiert werden, weil ihre Existenz ja hätte verhindert werden können.

Die PID ist in Deutschland aus gutem Grund verboten, denn sie lässt sich nicht mit der Verfassung und dem Embryonenschutzgesetz vereinbaren, das dem Embryo vom ersten Moment an Würde und Lebensschutz zuspricht. Eine Gesellschaft, die sich der Illusion des perfekten Menschen hingibt, sperrt das Leben aus. Denn zum Leben gehören Krankheit, Tod und Schmerzen - und damit auch Kinder, die ohne Berechnung und um ihrer selbst willen gezeugt werden.

© SZ vom 22.12.2008/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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