Bemannte Raumfahrt:Triebwerke aus dem Museum

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Um die Zukunft der Raumfahrt anzugehen, setzt die Nasa auf Technik aus den Anfängen der Raumfahrtgeschichte. Die privaten Unternehmen stöbern auf dem Schrottplatz.

Hubertus Breuer

Eines der wichtigsten Bauteile der amerikanischen Raumfahrt entstand noch unter Aufsicht des deutschen Raketenpioniers Wernher von Braun. Das Triebwerk J2 hat in der bis heute weltgrößten Trägerrakete Saturn V die Astronauten des Apollo-Programms zum Mond befördert und zuletzt 1973 geholfen, die kurzlebige Raumstation Skylab in die Umlaufbahn zu hieven.

Die alte "Saturn"-Rakete (rechts) aus dem Marshall Space Center wird von Nasa-Ingenieuren für das "Ares"-Projekt geplündert. (Foto: Foto: AP)

Seit Dezember steht nun der Motor des Triebwerks im Stennis Space Center in Bay St. Louis, Mississippi, wieder auf dem Prüfstand und spuckt Feuer und Rauch. Ingenieure der Raumfahrtorganisation jagen ein flüssiges Treibstoffgemisch durch die Düsen und Rohre, um die Pumpen, Dichtungen und Treibstoffleitungen des greisen Triebwerks zu testen.

So will man Vergleichswerte für das noch zu bauende Triebwerk J2X erhalten, das als runderneuerte, schubkräftige Neu-Version des J2-Antriebs einmal die geplanten Ares-Raketen I und V anschieben soll. Es ist ein Griff in das Archiv der Raumfahrtgeschichte, mit der die Nasa die Träume der Zukunft realisieren will.

Große Visionen für wenig Geld

Mit Ares will die Nasa von 2015 an bemannte Flüge zur Internationalen Raumstation bestreiten, wenig später aber vor allem zum Mond fliegen und eines Tages gar zum Roten Planeten Mars. Doch anders als während des gigantischen Apollo-Programms muss die Nasa die von US-Präsident George W. Bush verordneten Raumfahrtvisionen mit möglichst geringen Kosten verwirklichen.

Damit die Raketen dennoch robust, zu Höchstleistungen fähig und termingerecht fertig gestellt werden, sind der Rückgriff auf Altbewährtes und selbst der Gang ins Museum unvermeidlich.

Rückzug in die Raumfahrt-Archäologie

So bauen Nasa-Ingenieure am Marshall Space Center in Huntsville, Alabama, regelmäßig bei der dort ausgestellten Saturn-V-Rakete Maschinenteile aus. Oft fehlen allerdings gut dokumentierte Handbücher, mittels derer sich die Funktion jeder Armatur, Klappe oder jedes Bolzens erschließen ließe - und so ziehen sich die Raketenbauer für akribische Raumfahrt-Archäologie in ihre Werkstätten zurück.

"Das ist immer noch günstiger und schneller, als eine völlig neue Technologie zu entwickeln", begründet Jim Snoddy, Koordinator für die J2X-Entwicklung, das Vorgehen.

Als die Planung des J2X-Triebwerks vor zwei Jahren begann, lud die Weltraumorganisation 28 pensionierte Ingenieure ein, die noch in den sechziger und siebziger Jahren an dem J2-Triebwerk geschraubt hatten. Vier von ihnen arbeiten nun fest angestellt an dem Projekt.

Den Auftrag, das neue Triebwerk zu entwickeln, erhielt vergangenen Sommer Pratt and Whitney Rocketdyne, ein Unternehmen, das bereits in den sechziger Jahren den J2-Antrieb baute. Kein Wunder, dass Nasa-Direktor Michael Griffin das Mond-und-Mars-Projekt einmal als "Apollo auf Steroiden" bezeichnete.

Aber nicht nur Apollo hilft bei der Rückkehr zum Mond aus - auch aus dem Shuttle-Programm wird viel übernommen. Die große Schwester des Raketendoppelgespanns, Ares V, mit der einmal das Mondlandemodul in den Orbit gelangen soll, nutzt einen modifizierten Shuttle-Treibstofftank.

Er versorgt fünf RS68-Raketentriebwerke, die ursprünglich für Delta-IV-Raketen entwickelt wurden. Verlängerte Versionen der Feststoffraketen, die heute noch der Raumfähre in die Höhe helfen, flankieren den Zylinder ebenfalls. Seine zweite Stufe, die Earth Departure Stage (EDS), treibt schließlich das J2X-Triebwerk an, mit deren Hilfe letztlich die Erdanziehung überwunden werden soll.

Die bemannte, kleinere Trägerrakete Ares I wird an der Spitze eines modernisierten Feststoff-Boosters und einer J2X-Brennstufe ein Versorgungs- und das Astronautenmodul Orion ins All tragen. Die tropfenförmige Kapsel wirkt dabei wie von Apollo abgekupfert - wenn sie auch mehrfach wiederverwendbar, geräumiger und mit neuester Technologie ausgestattet sein wird.

Auch die altgedienten Shuttle-Startrampen von Cape Canaveral werden für die Ares-Raketen umgebaut. "Lunar sooner" nennt sich reimend diese Recycling-Strategie auf Englisch - "eher zum Mond."

Sparsamkeit und Ungeduld

Sparsamkeit und Ungeduld treibt auch die erste Generation der privaten Raumfahrtunternehmer an. Dazu gehören bekannte Unternehmen wie Scaled Composites, die für Virgin Galactic derzeit an SpaceShipTwo für Touristenflüge in den Sub-Orbit schrauben, aber auch kleine Firmen wie Masten Space Systems in Kalifornien, geleitet von einem Software-Millionär namens Dave Masten, der derzeit einen Nasa-Wettbewerb für eine Mondlandefähre gewinnen will.

Sie alle wollen das Rad jedoch nicht neu erfinden - und greifen deshalb auf Altbewährtes zurück.

Das Mekka der Himmelsstürmer aus der Privatwirtschaft ist eine Schrotthandlung in Nordhollywood, die ausgemusterte Teile der in Los Angeles zahlreich vertretenen Luft- und Raumfahrtunternehmen verkauft.

Norton Sales ist ein Altmetallgeschäft der Sonderklasse, das durchaus an den Laden des flatternden Ersatzteilhändlers Watto auf dem Planeten Tatooine aus "Krieg der Sterne" erinnert.

In den Regalen findet sich zwar kein Hyperantrieb-Motivator, aber doch Ventile für flüssigen Sauerstoff, Kugeltanks aus Titan und ausrangierte Korrekturtriebwerke alter Atlas-Raketen - für ein Bruchteil der Summe, die einst die Nasa und andere US-Regierungsbehörden für die technischen Finessen bezahlt haben.

"Die gebrauchten Teile kann man nicht nur nutzen, sondern auch von ihnen lernen. Die grundsätzlichen Probleme der Raumfahrt ändern sich schließlich nicht", sagt Masten.

Die Nasa dagegen mag Altware aus Abstellkammern testen, aber zurück zum Mond sollen die Astronauten nur fabrikneue, modernisierte Raketen tragen. Jede Neuerung der gigantischen Geschosse birgt allerdings auch Tücken.

So stellte sich bei Simulationen der langen Ares I kürzlich heraus, dass starke Vibrationen beim Start sie zerstören könnten. Bis März wolle man eine Lösung vorlegen, erklärte die Nasa.

Währenddessen sind die ersten Testflüge der Ares I aber bereits angelaufen. Am Marshall Space Center fliegen vor begeisterten Schulklassen seit Januar regelmäßig Spielzeugmodelle im Maßstab 1:100 problemlos auf eine Höhe von 250 Metern.

© SZ vom 7.2.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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