Bedrohte Meerestiere:Völlerei und leere Meere

Kabeljau, Thunfisch, Shrimps: Ein Großteil der beliebtesten essbaren Meerestiere ist vom Aussterben bedroht. Umweltschützer fordern, die Tiere darum aus dem Menü zu streichen.

Sebastian Beck

Auch wenn es noch so verlockend erscheint: Spaghetti mit Scampi kommen bei Karoline Schacht nicht mehr auf den Tisch. Schollenfilet in Weißweinsoße verschmäht sie ebenfalls, Dornhai-Schillerlocken und Rotbarsch sind ohnehin tabu.

Bedrohte Meerestiere: Ein Großteil der kommerziell genutzten Arten ist stark überfischt. Das gilt auch für Kabeljau.

Ein Großteil der kommerziell genutzten Arten ist stark überfischt. Das gilt auch für Kabeljau.

(Foto: Foto: AP)

Die Fisch-Expertin der Umweltorganisation World Wild Fund of Nature (WWF) gönnt sich allenfalls einen teuren Wildlachs aus Alaska - nicht nur, weil er besser schmeckt als Zuchtlachs. Sondern vor allem deshalb, weil er mit dem blauen Logo des Marine Stewardship Council (MSC) ausgezeichnet worden ist, das für nachhaltige Fischerei steht. "Wir müssen Seefisch wieder wie eine Delikatesse behandeln", fordert Karoline Schacht.

Der WWF hofft, dass immer mehr Verbraucher dem Beispiel folgen. Deshalb präsentiert die Organisation an diesem Donnerstag eine neue Auflage ihres Einkaufsratgebers, in dem die gängigen Speisefische nach Herkunft und Gefährdung aufgeführt sind.

Die Zusammenschau wirkt alles andere als appetitanregend: Ein Großteil der kommerziell genutzten Arten ist stark überfischt und sollte daher entweder ganz vom Speiseplan gestrichen oder wenigstens streng nach Fanggebiet ausgewählt werden.

20 Kilo Futterfische für ein Kilo Thunfischfleisch

Das gilt mittlerweile selbst für Allerweltsarten wie Kabeljau und Thunfisch. Obwohl sie vom Aussterben bedroht sind, werden beispielsweise lebend gefangene Blauflossen-Thunfische im Mittelmeer in Aquafarmen gemästet und schließlich vor allem in Japan zu Sushi verarbeitet.

Um ein einziges Kilo Thunfischfleisch herzustellen, benötigen die Züchter allerdings etwa 20Kilo Futterfische.

Ähnlich schlecht sieht die Umweltbilanz der Garnelenzucht aus: Auf ein Kilo Shrimps kommen hier 2,5 bis fünf Kilo Wildfische; für die Zuchtteiche werden überdies Mangrovenwälder entlang der tropischen Küsten abgeholzt.

Aber auch der Fang wildlebender Garnelen, Schollen und Seezungen hat für Ökosysteme verheerende Folgen: Große Schiffe pflügen den empfindlichen Meeresboden mit ihren Grundschleppnetzen regelrecht um. Darin verfangen sich alle möglichen Tiere - von Haien bis zu Walen und Meeresschildkröten. Sie gelten als unerwünschter Beifang und werden tot oder schwer verletzt über Bord geworfen.

Nach Angaben des WWF wird allein in der Nordsee jedes Jahr eine Million Tonnen Fisch auf diese Weise vergeudet - bei einer angelandeten Fangmenge von insgesamt zwei Millionen Tonnen.

Mittlerweile hat auch die Europäische Union dieses Problem erkannt, zumal da Fischer für jeden verkauften Kabeljau einen über Bord schmeißen, nur weil er nicht die gewünschte Größe hat. Zumindest diese Praxis wurde nun verboten. Bis 2012 will die EU mit der Reform ihrer Fischereipolitik den Rückwurf sogar ganz untersagen und neue Fangmethoden vorschreiben.

Immerhin, ein paar Fischarten können noch bedenkenlos konsumiert werden: Hierzu zählt der Pangasius aus Vietnam, der im Mekongdelta lebt und schonend gezüchtet werden kann, weil er ein Allesfresser ist.

Auch Seelachs und Heringe sind unproblematisch, wobei es aber auch hier auf das Fanggebiet ankommt. Von Heringen aus der westlichen Ostsee rät der WWF ab, weil diese Bestände überfischt sind. Auf den Packungen in den Tiefkühltruhen sind die Fanggebiete oft noch unzureichend ausgewiesen. So bleiben für diejenigen, die ganz sichergehen wollen, nur die zertifizierte MSC-Ware oder heimische Fluss- und Seefische. Denn im Geschmackstest kann ein Zander in Weißwein locker mit einer Scholle mithalten.

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