Atomphysik:Amanda schweigt

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Von nichts kommt nichts? Weit gefehlt. Physiker können selbst aus nichts wichtige Erkenntnisse über Elementarteilchen gewinnen.

Christopher Schrader

Physikern traut man gemeinhin vieles zu. Doch eines ihrer Experimente in der Antarktis klingt wie ein veritabler Zaubertrick. Dort ist es einer internationalen Gruppe von Wissenschaftlern gelungen, aus nichts Erkenntnisse zu destillieren.

Das Amanda-Teleskop besteht aus 677 solcher optischer Module. (Foto: Foto: Robert Morse/University of Wisconsin-Madison)

Die Forscher wissen nun, wie viele Elementarteilchen namens Neutrinos, die in den Tiefen des Weltalls bei gewaltigen Explosionen freigesetzt werden, die Erde pro Jahr treffen. Das heißt, die Physiker wissen es nicht genau, haben aber eine obere Grenze entdeckt.

Tiefer Blick ins Erdinnere

Um die Neutrinos zu vermessen, haben die Physiker nahe dem Südpol ein großes Messinstrument namens Amanda im Eis versenkt. Es blickt von dort in die Tiefe des Erdinneren und wartet auf Elementarteilchen, die aus dem All kommen und es schaffen, den gesamten Globus zu durchqueren.

Solcher Aufwand ist in der Neutrinoforschung üblich. Die Messinstrumente stehen normalerweise in alten Bergwerken oder in Gebirgstunneln mit einem Kilometer Fels über sich.

Dorthin gelangen von allen Teilchen, die aus dem Weltraum kommen, nur die Neutrinos, weil sie nicht elektrisch geladen sind und mit Atomen kaum reagieren. Von ihnen zeigt sich in der Regel nur etwa jedes Millionste. Es geht eine Wechselwirkung mit anderer Materie ein, die sich als Lichtblitz zeigt.

Für "Amanda" hatten die Physiker 19 senkrechte Tunnel in das Eis am Südpol gebohrt und Kabel hineingehängt. An diesen Kabeln waren in Tiefen zwischen anderthalb und zwei Kilometern 667 empfindliche Lichtmesser befestigt. Mit dieser Anordnung ließ sich zu den einzelnen Lichtblitzen tief im Eis genau bestimmen, woher das auslösende Neutrino gekommen sein musste.

Diese Information haben die Physiker mit Messungen von Satelliten verknüpft, die gerade die Nordhemisphäre überquerten: Sie hatten in gut 400 Fällen in den Jahren 1997 bis 2003 festgestellt, dass in den Weiten des Alls gerade ein sogenannter Gamma-Ausbruch zu beobachten war.

Diese gewaltigen Explosionen lösen einen Schauer kosmischer Strahlung aus, der die Erde trifft: neben Neutrinos auch Teilchen, die sich leicht in der Atmosphäre registrieren lassen. Die Neutrinos können durch die Gamma-Ausbrüche unglaubliche Energie bekommen.

Zum Vergleich: Der neue Beschleuniger LHC am Cern in Genf, ein aus Magneten und Vakuumrohren gebauter Ring in einem Tunnel von 27 Kilometern Umfang, soll eine andere Art von Elementarteilchen auf 14 Billionen Elektronenvolt bringen, so heißt die Energieeinheit der Hochenergiephysiker. Neutrinos aus Gamma-Ausbrüchen können das 70-fache dieser Energie besitzen.

Doch keiner der registrierten Neutrino-Lichtblitze passte zu einem der gut 400 Gamma-Ausbrüche. Das heißt aber nicht, dass "Amanda" die ganzen Jahre geschwiegen hätte, es gab nur keine Antwort auf die spezielle Frage der Physiker: Stammte einer der im Süden erfassten Lichtblitze von einem der im Norden registrierten Gamma-Ausbrüche? Nein, schreiben die Wissenschaftler nun im Astrophysical Journal (Bd. 674, S.357, 2008).

"Amanda" hat zwar über die Jahre gut 4200 Lichtblitze von Neutrinos mit der erwarteten Energie registriert, aber ohne dass die Satelliten auf der anderen Seite der Erde gleichzeitig einen Gammaausbruch im All entdeckten.

Hoffen auf "Ice-Cube"

Die Neutrinos sind offenbar ziemlich gleichmäßig aus allen Winkeln des Weltraums gekommen. Ein Gamma-Ausbruch als Quelle sei darin nicht zu erkennen gewesen, sagt Christian Spiering vom Physiklabor Desy bei Hamburg.

Darum hoffen die Forscher nun auf ihr aktuelles Projekt: "Amanda" wird durch "Ice-Cube" ersetzt, ein 30-mal so großes Areal von Messinstrumenten. "Bei Amanda hatten wir mal zwei Neutrinos, bei denen wir dachten, das könnte was sein", erzählt Spiering.

"Mit Ice-Cube hätten wir dann gleich 60, damit kann man etwas anfangen." Das neue Messinstrument soll dann aus der oberen Grenze für die schnellen Neutrinos auch einen festen Messwert machen, noch eine Null möchten die Physiker nicht mehr vermelden.

© SZ vom 04.03.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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