Arm-Transplantation:"Die sehen aus wie früher"

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Vor einer Woche haben Münchner Ärzte einem 54-Jährigen die Arme eines Toten angenäht. Jetzt wurden Details der spektakulären Operation bekannt.

Christina Berndt

Der Patient, der nun eine Weltsensation ist, ließ grüßen. "Ich kann jetzt leider nicht da sein, weil es noch zu früh ist", ließ er den Journalisten ausrichten. Vor einer Woche hatten Ärzte vom Münchner Universitätsklinikum rechts der Isar dem 54-jährigen Mann die Arme eines Toten angenäht. Es war weltweit die erste Transplantation dieser Art.

Die Operation am Klinikum rechs der Isar. (Foto: Foto: dpa/Klinikum rechs der Isar)

Die Verpflanzung von Extremitäten gilt als riskant. Doch der Landwirt wollte Ersatz für seine Arme, die er vor sechs Jahren bei einem Unfall mit einem Maishäcksler verloren hatte. Während der Patient am Freitag noch auf der Intensivstation lag, gaben seine Ärzte Details der spektakulären Operation bekannt.

Alles sei optimal gelaufen, betonen sie. "Wie nach Drehbuch", sagt der Leiter des 40-köpfigen Operationsteams, Christoph Höhnke von der Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie. Dem Patienten gehe es sehr gut. "Berührt hat mich der Moment, als seine Frau nach der Operation auf ihn zukam", erzählt Höhnke.

"Sie nahm spontan die Hände des Patienten und sagte: ,Die sehen ja aus wie deine früher." Auch der Patient selbst sei zufrieden. "Er ist glücklich, aber nicht euphorisch", sagt die betreuende Psychologin Sibylle Storkebaum. Schließlich wisse er, was noch alles auf ihn zukommen kann.

Wahrscheinlich wird der Patient schon bald mit einer natürlichen Abstoßungsreaktion kämpfen müssen. Weltweit gab es bisher nur einige wenige Handtransplantationen. Von diesen weiß man, dass der Körper des Empfängers die neue Hand in zwei von drei Fällen zunächst bekämpft. Das liegt vor allem daran, dass die Haut als Barriere zur Außenwelt ein besonders aggressives Immunsystem besitzt. Trotzdem lasse sich die Abstoßung fast immer mit Cortison abwenden, sagt der Transplantationsexperte Manfred Stangl.

"Es ist erst der Anfang gemacht"

Bei einer Armverpflanzung kommt eine weitere Schwierigkeit hinzu: Die Armknochen enthalten Knochenmark, das seinen neuen Besitzer angreift. "Das ist potentiell tödlich", sagt Stangl.

Daher müsse das Immunsystem besonders stark unterdrückt werden - Infekte und Krebs können die Folge sein. "Die Operation ist nicht alles. Wir tragen große Verantwortung für diesen Patienten, den wir sein Leben lang begleiten werden", betont Hans-Günther Machens, Höhnkes Chef. "Es ist erst der Anfang gemacht."

Die Risiken und Mühen erscheinen groß. Derzeit kann niemand sagen, wie gut der Patient von München seine neuen Arme und Hände einsetzen kann - und wieviel er mit ihnen fühlen wird. Noch sind sie nutzlose Anhängsel. Sie werden von Metallgestellen gehalten - auch damit das Gewicht nicht zu sehr auf den Wunden lastet. Immerhin wiegt jeder Arm zwölf Kilogramm. "Später muss der Patient noch ein Haltegestell um den Brustkorb tragen", sagt Höhnke.

Dass das Gefühl zurückkommt, hält Edgar Biemer, der zweite leitende Operateur, für wahrscheinlich. "Die Sensibilität in den Armen wird wohl sehr gut bis normal sein", prophezeit er. Bis das Gefühl in die Hände gelangt, werden allerdings Jahre vergehen. Denn die Chirurgen konnten nur die Hüllen der Nerven von Armen und Oberkörper zusammennähen. Die Nervenzellen müssen nun einwachsen - etwa einen Millimeter pro Tag.

Es besteht die Gefahr, dass die Arme schlapp bleiben; aber vielleicht erlangt der Mann nach vielen, vielen Übungsstunden auch erstaunliche Fähigkeiten zurück. "Eine meiner Patientinnen, der wir ihren eigenen ausgerissen Arm retransplantiert haben, konnte nach eineinhalb Jahren sogar wieder stricken", erzählt Biemer. Wahrscheinlich werde der Patient am Ende zumindest greifen können, glaubt er. Das allein werde für ihn ein Segen sein, ergänzt Höhnke. "Er ist ein stolzer Mann, der sich nicht gerne helfen lässt. Und bisher konnte er ja kaum alleine essen."

© SZ vom 02.08.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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