Analog-Insuline:Aus für Scheininnovation

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Krankenkassen werden in Zukunft die Kosten für eine Diabetes-Behandlung mit Analog-Insulinen nicht mehr übernehmen. Denn: Sie bieten keinen Zusatznutzen gegenüber herkömmlichem Human-Insulin.

Werner Bartens

Krankenkassen werden in Zukunft die Kosten für eine Diabetes-Behandlung mit Analog-Insulinen nicht mehr übernehmen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), dessen 21 Mitglieder darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang medizinische Leistungen von der Gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden, nahm die Medikamente am gestrigen Dienstagnachmittag einstimmig aus der Erstattungspflicht.

Der Beschluss wird nach einer mehrwöchigen Einspruchsfrist wohl noch dieses Jahr wirksam. Auch die ständigen Patientenvertreter im G-BA, die zwar mitberaten, aber nicht abstimmen dürfen, erklärten, dass sie die Entscheidung mittragen.

"Es war ein eindeutiger Beschluss ohne Wenn und Aber", sagt Till Spiro, für die Ärzteseite Mitglied im G-BA. "Nach der wissenschaftlichen Datenlage ist dies die einzig richtige Entscheidung."

Lediglich in ärztlicherseits zu begründenden Einzelfällen zahlen Krankenkassen auch weiterhin für Analog-Insuline, die 30 Prozent teurer sind als die herkömmlichen, aber genauso guten Humaninsuline.

Im Sozialgesetz ist verankert, dass Kassen in medizinischen Ausnahmen Leistungen bezahlen, die sonst nicht erstattet werden. Dieser Passus wurde jedoch nicht in den aktuellen G-BA-Beschluss aufgenommen, "um keine Hintertür zu lassen, damit die Analog-Insuline auf diese Weise doch noch massenhaft verschrieben werden", sagt Spiro.

Die wissenschaftlichen Argumente sprachen zwar eindeutig für den Beschluss des G-BA. Doch im Vorfeld hatte es zahlreiche Versuche von Patientenorganisationen, Ärzteverbänden und Pharmafirmen gegeben, das Votum zu beeinflussen.

Proteste vor dem Gesundheitsministerium

Der von Insulin-Herstellern unterstützte Deutsche Diabetiker Bund sammelte Unterschriften, Zuckerkranke protestierten vor dem Gesundheitsministerium oder sie schrieben Protestbriefe an Mitglieder des G-BA und an das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG).

Das IQWIG hatte im Februar ein wissenschaftliches Gutachten zu den Analog-Insulinen vorgelegt, das an Klarheit nicht zu überbieten war: Die Analog-Insuline bieten Typ-II-Diabetikern keinen Zusatznutzen gegenüber herkömmlichem Human-Insulin, stellten die IQWIG-Gutachter kurz und bündig fest.

Der Vorteil der besseren Lebensqualität durch die Analog-Insuline, den die Pharma-Firmen in ihren Werbekampagnen anpreisen, sei nicht durch entsprechende wissenschaftliche Studien belegt. Zudem seien mögliche Risiken und Nebenwirkungen bei Langzeitanwendung noch viel zu wenig untersucht.

In Laborexperimenten und Tierversuchen hatte es Hinweise gegeben, dass Analog-Insuline eventuell Schäden der Netzhaut auslösen und krebsfördernde Wirkungen haben könnten, die in den bisher vorliegenden Studien an Patienten nicht eindeutig widerlegt werden konnten.

Pharmafirmen und ihnen nahe stehende Ärzteverbände hatten immer wieder behauptet, der Zusatznutzen für die Patienten lasse sich belegen, ohne entsprechende Daten nachgereicht zu haben.

Es war das erste Mal, dass der G-BA seine Entscheidung auf eine Analyse des IQWIG stützte. Um den Ausschuss und das Gesundheitsministerium bei komplexen medizinischen Entscheidungen zu beraten, war das Institut 2004 gegründet worden.

© SZ vom 19.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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