Alternative Energie:Energie aus dem Tor zur Hölle

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Ein Kraftwerk mitten im Nationalpark: Mit Geothermie erzeugt Kenia nicht nur umweltfreundlich Strom - das Land verdient auch Geld daran.

Michael Bauchmüller

Ein Kraftwerk mitten im Nationalpark. Eine gelbbraun gestrichene, bedrohlich brummende Anlage, aus deren Schlot weißer Dampf entweicht.

Geothermie- Kraftwerk Olkaria I in Kenia. (Foto: Foto: Bundesanstalt für Geowissen- schaften und Rohstoffe (BGR))

Gelegentlich schauen ein paar Giraffen vorbei, manchmal eine ganze Zebraherde. In Kenia geht das und ist nicht einmal befremdlich.

Olkaria heißt das Kraftwerk, aber es brennt nicht mit Kohle und nicht mit Gas. Es speist sich aus Wärme, die aus der Erde steigt: mit Geothermie.

Die Gegend hier haben die Kenianer "Tor zur Hölle" genannt, weil es früher schon hier und da aus dem Boden qualmte und manchmal ganz ordentlich rumpelte, wenn die Erde Dampf abließ. In einem langen Tal zieht sich der heiße Boden vom Sudan bis hinunter nach Tansania.

Energie für eine ganze Stadt

1954 haben sie erstmals die Hölle angebohrt, wenig später das erste Kraftwerk gebaut. Sie haben Löcher gebohrt, 25 Kilometer Rohre verlegt und sammeln so gewissermaßen den Dampf aus dem Boden ein.

Eine ganze Stadt lässt sich damit versorgen, und das ist noch nicht alles. 14 weitere Geothermie-Kraftwerke könnten in den nächsten Jahren entstehen. Mindestens 2000 Megawatt stecken hier im Boden, schätzt Kenias Energieministerium. Das ist doppelt so viel, wie Kenia derzeit verbraucht.

Bestenfalls jeder vierte Kenianer hat Zugang zu Strom, und mit Ach und Krach deckt Kenias Stromerzeuger KenGen den Bedarf. Stromausfälle sind häufig. "Wir müssen etwas tun", sagt KenGens Chef Edward Njoroge. Der Kampf gegen den Klimawandel soll ihm dabei helfen.

Njoroge will einen weiteren Block in Olkaria bauen. Diesmal aber sollen sich mit Umweg über die Weltbank auch Industrieländer an dem Bau beteiligen, über einen virtuellen Deal.

Und der geht so: Hätte Kenia, wie viele andere Entwicklungsländer, nicht auf Erdwärme, sondern auf fossile Brennstoffe gesetzt, hätte es das Klima weiter belastet. Weil das Land das aber nicht tut, spart es klimaschädliches Kohlendioxid. Als Belohnung erhält Bauherr KenGen nun Gutschriften über die vermiedenen Emissionen.

Die kauft die Weltbank dem Unternehmen ab, um sie an weniger klimafreundliche Fabriken und Kraftwerke etwa in der EU weiterzureichen. Diese können damit ihr Klima-Sündenkonto aufbessern - zumindest auf dem Papier.

"Clean Development Mechanism" heißt das, eine Art Umverteilungsmaschinerie, mit der reiche Länder in ärmeren investieren, dafür aber ihr Kohlendioxid-Negativkonto schrumpfen lassen können. An diesem Mittwoch soll ein Abkommen auch für das neue Olkaria-Kraftwerk unterzeichnet werden, Emissionsrechte über 900.000 Tonnen Kohlendioxid soll es binnen acht Jahren auf den Markt werfen. Und das Unternehmen verdient bis zu zehn Millionen Dollar extra - als Belohnung für die Sauberkeit.

Perverses Gut

Die Zahl solcher Projekte ist in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Mehr als 1000 sind in Planung, Dutzende schon realisiert. Dahinter hat sich ein Markt entwickelt, auf dem auch große Banken mitmischen. Kohlendioxid ist eine Art perverses Gut geworden, das einen Preis allein deshalb hat, weil es nicht produziert werden darf.

Doch der Mechanismus geht meistens an Afrika vorbei. Indien, Brasilien, China profitieren am meisten von den Zusatzeinnahmen. "Die Projekte sind da, die Investoren sind da", klagt auch Pacifica Ogola. "Sie kommen nur nicht zusammen." Für Kenias Regierung sucht Ogola nach neuen Ideen, den technischen Fortschritt mit fremdem Geld ins Land zu holen. Doch nur in Olkaria und einer Zuckerfabrik hat das bislang geklappt.

Alles ist möglich - mit Geld

Dabei gäbe es viele Möglichkeiten. Tee ließe sich mit Hilfe von Solarenergie trocknen statt mit Kohle. Abfälle ließen sich kompostieren, ihre Gase zu Energie wandeln. Zement könnte man effizienter produzieren.

Alles ist möglich - wenn sich Investoren finden. Wieder aber geht es um Geld. "Das Problem ist, dass es in Afrika nicht so viele Emissionen gibt", sagt Andreas Arvanitakis, Analyst beim Kohlendioxid-Spezialisten Point Carbon. Große Projekte in China werfen einfach mehr Emissionsrechte ab.

Für kleine Projekte aber ist häufig der Aufwand zu groß. Kein Wunder: Verglichen mit dem Formularkrieg für eine Klimagutschrift ist eine Baugenehmigung für ein Atomkraftwerk ein Durchmarsch. In armen Staaten sind die Behörden häufig überfordert, wenn nicht Institutionen wie die Weltbank einspringen.

Nun soll die Klimakonferenz den Blick auf Afrika schärfen. Der Gutschrift-Mechanismus könnte verhindern, dass sich boomende Entwicklungsländer blindlings auf dieselben Technologien stürzen, mit denen Länder des Nordens das Klima belasten.

Die EU will sich dafür stark machen, dass mehr Geld in solche Projekte in Afrika fließt. Wie genau, könnte sich in dieser Woche zeigen. Die Zeit drängt. Auf die Wasserkraft, bislang Stütze der kenianischen Stromversorgung, ist möglicherweise bald kein Verlass mehr, fürchten Wissenschaftler. So wenig wie auf die Regenzeit.

© SZ vom 15.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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