Nasa-Projekt:Fragwürdiger Asteroiden-Fang

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Langsam dämmert es Forschern, dass die Nasa diesen Plan wohl ernst meint: Sie will einen Asteroiden in die Nähe der Erde schleppen und Astronauten darauf absetzen. Nicht nur Experten fragen sich, wie das funktionieren - und wozu es gut sein soll.

Von Richard A. Kerr

Aus Geldmangel kann die Nasa derzeit keine Astronauten zu Asteroiden schicken. Deshalb muss der Asteroid zu den Astronauten, so die Logik der Nasa. (Foto: dpa)

Die Nasa plant, einen Asteroiden im Weltraum einzufangen und ihn im Umfeld der Erde abzusetzen, damit Astronauten den Himmelskörper erforschen können. Ein zweifelsohne kühner Plan. Doch statt Begeisterung löst er unter Planetologen zunehmend Zweifel aus.

Selbst wenn die Mission gelingen sollte, sei ihr Nutzen fragwürdig, sagen sie. Die meisten Asteroiden-Forscher waren überrascht, als die Nasa im vergangenen Monat ankündigte, für das Jahr 2014 ein Budget von 105 Millionen Dollar zu beantragen, um bis zum Jahr 2019 einen Asteroiden mit einem Roboterraumschiff einzufangen und ihn in eine Erdumlaufbahn zu bringen, damit Astronauten 2022 darauf landen können. Dies würde, so der Nasa-Plan, nicht nur Präsident Barack Obamas Versprechen erfüllen, wonach Astronauten bis 2025 einen Asteroiden erkunden sollen, sondern auch helfen, die Erde vor solchen Himmelskörpern zu schützen, und zeigen, wie deren Rohstoffe nutzbar gemacht werden können.

Doch gebe es hier "eine echte Glaubwürdigkeitslücke", sagt Mark Sykes, Vorsitzender der Nasa-Expertengruppe für kleine Himmelskörper. Ein kleiner Kreis im Hauptquartier habe das für eine tolle Schlagzeile gehalten, klagt er, "aber das reicht nicht". Den Anstoß für die Mission gab eine Untersuchung des Keck-Instituts für Weltraumstudien (Kiss), einer "Denk- und Tatenfabrik", wie sie sich selbst nennt, am California Institute of Technology im kalifornischen Pasadena. Der Studie folgten zwei Workshops zum Thema Asteroiden-Bergbau in den Jahren 2011 und 2012, an denen 34 Menschen teilnahmen, von denen nur zwei Spezialisten für das Sonnensystem waren.

Zuvor, im April 2010, hatte Präsident Obama der Nasa das Ziel gesetzt, Astronauten zu einem Asteroiden zu senden - als Meilenstein auf dem Weg zum Mars. Aber in den Workshops "merkten wir, dass der einzige Weg zu einer bemannten Asteroiden-Mission war, einen Asteroiden in Richtung Erde zu bewegen", sagt Louis Friedman, Ex-Direktor der Planetary Society, einer Raumfahrt-Lobbygruppe, die er einst mit Carl Sagan und Bruce Murray gegründet hatte. Die Nasa habe derzeit nicht das Geld für ein Raumschiff, das eine sechsmonatige, bemannte Rundreise zu einem Asteroiden bewältigen könnte, sagt Friedman. Daher müsse der Asteroid zu den Astronauten gebracht werden.

Die Kiss-Studie entstand nach einem Vortrag des Unternehmers Marco Tantardini, der darüber sprach, wie man Asteroiden zur Erde holen könnte, um Rohstoffe abzubauen. Hinzu kam eine Untersuchung eines Nasa-Wissenschaftlers, der darüber spekulierte, wie ein solarbetriebenes Ionen-Triebwerk den Schub liefern könnte, um den Asteroiden zur Erde zu bringen. "Die Nasa sprang darauf an", sagt Friedman. Den Bau einer bemannten Mondbasis als Zwischenschritt zum Mars hatte die Behörde zuvor verworfen. Im Januar dieses Jahres gab die Weltraumbehörde den Auftrag für eine Machbarkeitsstudie zum Asteroiden-Fang.

Wie bereits die Kiss-Studie ergab diese, dass es unter gewissen Umständen möglich sei, einen Asteroiden einzufangen. Ein logistisches Problem sei, sagt Brian Muirhead, der die noch unveröffentlichte Studie leitete, ein verbessertes Beobachtungssystem, um Asteroiden aufzuspüren. Auch brauche es bessere Solarpaneele und ein Ionentriebwerk, das einen sieben bis zehn Meter großen, 500 Tonnen schweren Himmelskörper bewegen kann. Die ganze Mission sei "ziemlich verrückt", sagt Muirhead, "aber genau darin sind wir gut".

"Der Vorschlag gibt der bemannten Raumfahrt auf elegante Weise ein Ziel innerhalb des vorgegebenen Budgets", sagt der Raumfahrt-Experte und ehemalige Professor der George Washington Universität John Logsdon. Letztlich entscheide das Geld.

Asteroiden-Experten sorgen sich indes über den engen Zeitplan. Laut Kiss-Studie sei es "mit entsprechenden Beobachtungs-Kampagnen möglich, jährlich bis zu fünf attraktive Ziele auszumachen". Tatsächlich hatten Nasa-Astronomen Ende März einen Kandidaten gefunden, der sich dann jedoch als zu klein erwies. Fünf brauchbare Kandidaten pro Jahr "ist eine hanebüchene Zahl", sagt Alan Harris, der einst 25 Jahre lang bei der Nasa Asteroiden gesucht und erforscht hat.

Ein brauchbarer Kandidat müsste harte Kriterien erfüllen: Nicht zu groß, zu schwer, zu schnell rotierend oder zu länglich dürfte er sein. Und seine Flugbahn müsste geeignet sein, ihn bis zum Beginn der 2020er-Jahre in die Nähe der Erde zu bugsieren, um das 2025-Ziel der Nasa einzuhalten. Alle Eigenschaften eines Kandidaten müssten binnen Tagen ermittelt werden, wenn ein solch winziger Asteroid kurzzeitig in der Reichweite irdischer Teleskope auftaucht.

Der Nasa-Wissenschaftler James Green, Direktor der Abteilung für Planeten, wirbt indes dafür, "uns eine Chance zu geben." Es gebe viele Dinge, über die sich Planetologen sorgen müssten, "aber dies ist keines davon", sagt er. Falls der US-Kongress dem Budget-Antrag zustimmt, so Green, werden Wissenschaftler in rund einem Jahr wissen, wie effektiv die Suche ist.

"Das ist ein enormes Problem", sagt hingegen Harold Reitsema aus Boulder, Colorado, der ein privat finanziertes Projekt leitet, bei dem größere, gefährliche Asteroiden gesucht werden. Man werde schlussendlich vernünftige Kandidaten finden, sagt er, "aber die Nasa habe nicht die Zeit dafür". Der Arbeitsplan der Weltraumbehörde sieht vor, 2016 das Ziel endgültig auszuwählen und 2017 das Bergungsraumschiff zu starten, damit im Jahr 2022 Astronauten den Asteroiden besuchen können.

Asteroiden-Forscher haben weitere Vorbehalte. "Die Versprechungen über Rohstoff-Nutzung und besseren Schutz vor Asteroiden sind eher leer", sagt Reitsema. Die Idee, mit der Erforschung eines kleinen Asteroiden zur Sicherheit der Erde beizutragen, "ist reiner Quatsch", sagt er. Zehn Meter große Asteroiden würden in der Atmosphäre in harmlose Bestandteile zerbröseln. "Die würden nicht einschlagen."

Schwer zu erkunden sei auch, wie sich Asteroiden als Wasserquelle im All nutzen lassen oder als Schutzschirm gegen Strahlung auf langen Weltraumreisen, sagt Nasa-Wissenschaftler Donald Yeomans, der an der Kiss-Studie beteiligt war. Dafür bräuchte man einen wasserhaltigen sogenannten kohligen Chondriten. Ein solches Objekt zu finden, sei unwahrscheinlich. Auch sind Asteroiden-Forscher verstimmt, dass die Nasa sie bislang nicht eingeplant hat. Sie hatten Präsentationen des Konzepts gesehen, "aber wir konnten das nicht ernst nehmen", erinnert sich Sykes, der Experte für kleine Himmelskörper. Anfang Februar, als klar wurde, dass die Nasa die Sache durchaus ernst nimmt, bot Sykes die Dienste seiner Arbeitsgruppe an, bekam aber keine Antwort. Nasa-Mann Green beschwichtigt: "Es war nur der Anfang. Wir werden sie mehr einbinden."

Obwohl es nicht in ihr Arbeitsgebiet fällt, haben Asteroidenforscher einen weiteren Einwand: Der Hauptzweck eines bemannten Fluges zu einem Asteroiden sei, Erfahrungen für längere Reisen im All zu gewinnen, etwa zum Mars. "Aber wenn man den Asteroiden zum Astronauten bringt statt andersrum", sagt Harris, "schickt man nicht wirklich Menschen in die Weiten des Alls und verlässt nicht wirklich die gewohnten Umlaufbahnen um die Erde." Fernreisen ins All müssten daher in weiteren Missionen erprobt werden.

Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Science , herausgegeben von der AAAS. Weitere Infos: www.sciencemag.org, www.aaas.org

© SZ vom 11.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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