Zwischen den Zahlen:Vergebung

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VW-Techniker werden von fast allen Seiten gegeißelt und beschimpft. Aber nicht nur: Es gibt auch Trost.

Von Thomas Fromm

Über den Diesel-Skandal bei VW ist jetzt allerhand geschrieben worden. Wahrscheinlich noch längst nicht alles, aber immerhin doch schon vieles. Aufmerksame Leser aber werden sich, bei allen Diskussionen über Stickoxide, Prüfstände und CO₂-Grenzen schon gefragt haben: Schön und gut, die Sache mit den Abgastest-Manipulationen war jetzt mehr als grenzwertig, aber wie sieht es eigentlich mit den anderen, den wirklich wichtigen Grenzen dieses menschlichen Handelns aus? Anders gesagt: Was würde aus VW, stellte man den Konzern und seine findigen Ingenieure mitsamt ihrer sündigen Software nicht nur vor ein Tribunal des US-Kongresses oder einer amerikanischen Umweltbehörde, sondern auch auf einen - sagen wir mal - moraltheologischen Prüfstand? Würde es da nicht kräftig qualmen?

Der große italienische Dichter Dante Alighieri wusste schon im 14. Jahrhundert, wie mit solchen Abgas-Frevlern umzugehen ist. Die heiße Hölle, wie er sie in seiner "Divina Commedia" beschreibt, ist ein furchtbarer Schlund, von der Form her weniger einem Auspuffrohr als einem alten Amphitheater nachempfunden. Eine stickige Hölle, in der es immer weiter steil bergab geht, von Abteilung zu Abteilung sozusagen. Nun ist nicht ganz klar, in welcher Sünden-Klasse Dante unsere VW-Leute unterbringen würde. In der Hölle derer, die aus Maßlosigkeit gesündigt haben? Oder für die, die von Bosheit geleitet wurden? Es sind Fragen, auf die vermutlich nicht einmal das Kraftfahrtbundesamt eine Antwort wüsste. Geschweige denn der Bundesverkehrsminister, sonst eigentlich Fachmann für übernatürliche Phänomene (zum Beispiel die Pkw-Maut).

Wer jetzt in Wolfsburg sitzt oder anderswo und aus Angst vor der ewigen Verdammnis zittert, dem sei zur Beruhigung gesagt: Die Hölle kann warten. Denn die frohe Botschaft lautet: Sowohl der evangelische Kirchentag als auch der Katholikentag wollen trotz des Abgas-Skandals mit ihrem Sponsor Volkswagen weiterhin zusammenarbeiten. VW stellt für die Groß-Events der Christen Autos für Fahr- und Lieferdienste zur Verfügung, und darf das auch in Zukunft tun. Die Auto-Absolution gibt es natürlich nicht ganz umsonst: Der Skandal müsse "schonungslos aufgeklärt" werden, sagen Kirchenleute.

© SZ vom 21.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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