Zwischen den Zahlen:Übersteuert

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Bei Mister Bean sieht das alles ziemlich einfach aus: Während der Fahrt zieht er sich Hemd und Hose an, gelenkt wird lässig mit einer Hand. Nun hat ein Autoversicherer Fahrer nach den schlimmsten Störfaktoren befragt.

Von Lea Hampel

Eine der schönsten Fernsehszenen mit Rowan Atkinson als Mister Bean ist jene, in der er verschläft und versucht, seinen Zeitverlust auf der Autofahrt reinzuholen: Während er mit dem grünen Mini durch London düst, streift er sich das Hemd über, immer maximal eine Hand am Steuer. Er zieht, den Hintern auf der Rückbank, die Hose an, während er mit dem linken Fuß lenkt und mit dem rechten blinkt. Schließlich putzt er sich vor dem Außenspiegel die Zähne.

Im April befragte ein Auto-Versicherer 1000 Autofahrer nach den schlimmsten Störfaktoren. Neben naheliegenden Dinge wie SMS und Anrufen, hat die Körperpflege einen prominenten Rang: Sie lenkt 23 Prozent aller Fahrer ab. Bevor man sich fragen kann, ob sich Scheitel auf der Autobahn besser teilen lassen und Maniküre auf die Landstraße gehört, sind die ersten Bilder im Kopf. Denn die Befragten durften mehrere Störfaktoren nennen, auch herunterfallende Gegenstände (bei jungen Männern 56 Prozent) und Tiere (21 Prozent) gehören dazu. Viele Autos sind offenbar Müllhalden auf Rädern, in der Hunde zu Musik bellen (Radiohören lenkt neun Prozent ab, das Bedienen der Geräte 40 Prozent) und das Handy neben der Nagelschere liegt.

Nun sagt das allerhand über unsere modernen Gehirne. Die sind, sonst auf Multitasking gepolt, offenbar unterfordert, wenn bloß eine dreispurige Autobahn mit Lkw-Kolonne rechts, Mittelspurkriechern vor einem und Sportwagentestosteron auf der Linken geboten sind. Es wären eher noch Kapazitäten frei: Fitnessübungen im Stau, Abendessenvorbereitung in der Rush Hour, vieles ist denkbar und entspräche dem, was Soziologen "Zeitverdichtung" nennen. Nicht auszudenken, was erst los sein wird, wenn es selbst fahrende Fahrzeuge gibt. Mister Bean ist dann überall.

Tatsächlich erzählen diese Ergebnisse aber weniger von unseren Superhirnen als von einem anderen Phänomen: Nicht einer der Befragten gab zu, durch Kinder, Hunde oder Körperpflege im Auto einen Unfall verursacht zu haben. Das ist allerdings weniger in evolutorischen Wirkungen der beschleunigten Gesellschaft auf unser Gehirn begründet. Dieses Phänomen ist typisch für die Autobahn seit ihrer Entstehung und heißt: Selbstüberschätzung. Aber das gilt natürlich nicht für Mister Bean.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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