Zwischen den Zahlen:Strategietraining

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Sudoku ist Kinderkram. Wer seine Kombinationsgabe mal auf eine wirklich harte Probe stellen will, sollte sich an einem Fahrkartenautomaten versuchen - ohne Bargeld.

Von Varinia Bernau

Sudoku ist Kinderkram. Wer seine Kombinationsgabe wirklich mal auf eine harte Probe stellen will, der sollte sich an einem Fahrkartenautomaten versuchen. Natürlich darf man es sich dabei nicht zu einfach machen. Ein paar Grundregeln zum Gehirnjogging der anderen Art. Möglichst also: in einer fremden Stadt trainieren und mit der Übung zur geistigen Geschmeidigkeit erst beginnen, wenn der zu erwischende Bus in maximal fünf Minuten um die Ecke biegen soll.

Man hatte sich also einmal mehr genau dieser Herausforderung gestellt - und es sich eher zufällig sogar noch ein bisschen schwerer gemacht: Keinen einzigen Euro Bargeld in der Tasche, dafür aber einen eng getakteten Terminkalender. So klar das Ziel, so unklar die Tastenfolge für richtige Tickets: Preisstufen, Ringe, Waben und Zonen - und dazu noch ein Haufen eindeutig uneindeutiger Abkürzungen. Immerhin war man nicht allein. Der Anzugträger, der kurz zuvor an der intellektuellen Herausforderung des Fahrkartenautomaten gescheitert war, sprach einem nun wenigstens Mut zu: "Na, Sie stellen sich bestimmt klüger an!" Tat man aber nicht. Und da kam auch schon der Bus.

Ein Ticket beim Busfahrer zu lösen, ist natürlich ein Klacks. Man sagt einfach, wohin man will, legt ein paar Münzen hin und bekommt sein Ticket. Kein Problem, zumindest nicht für den Anzugträger. Ein enormes Problem allerdings, wenn man keine Münzen dabei hat. Kurze Abschätzung der Erfolgsaussichten von Variante 1 (Angriff - sprich: auf die technische Rückständigkeit des örtlichen Verkehrsverbundes schimpfen à la "Noch nie was von kontaktlosem Bezahlen gehört, ihr Hinterwäldler?") und Variante 2 (Defensive - sprich: höflich andeuten, dass man nicht mit Karte zahlen könne und somit irgendwo einen Geldautomaten auftreiben müsste, was einem immerhin die Wartezeit bis zum nächsten Bus in einer Stunde vertreiben würde). Man entschied sich für Variante 2 und damit: richtig.

Der Fahrer antwortete im rheinischen Singsang: "Na, steigen Sie einfach ein! Wir sehen uns bestimmt mal wieder." Man war erleichtert, sogar den erhöhten Schwierigkeitsgrad im ÖPNV-Strategietraining gemeistert zu haben. Und es gab sogar noch anerkennende Worte vom Anzugträger, der es sportlich nahm, nur auf dem zweiten Platz gelandet zu sein: "Ich wusste doch, dass Sie sich klüger anstellen!"

© SZ vom 25.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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