Zwischen den Zahlen:Flasche leer

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Nur echt mit Schweizer Kreuz: Die Firma Sigg, die die bekannten Alu-Flaschen herstellt, gehört bald Chinesen - das hört sich dramatisch an. Ist es das auch?

Von Charlotte Theile

Marcel Kirsch, R. Heibel und "mareibianke" sind enttäuscht. Bei ihren Trinkflaschen aus Aluminium, nur echt mit dem Schweizer Kreuz, hat sich die Innenbeschichtung gelöst. R. Heibel hatte einmal ein Stück im Mund, es war "etwa 4 cm lang und äußerst porös". Die Bewertungen, die die drei Nutzer im Internet hinterlassen haben, sind vernichtend. Von Sigg hätten sie etwas anderes erwartet.

Das Unternehmen aus Frauenfeld im Kanton Thurgau steht wie kaum ein anderes für Schweizer Qualität. Die Alu-Flaschen schließen Flüssigkeiten sicher ein, sind leicht zu reinigen und wiegen kaum etwas. Schulkinder, Wanderer, Sportler mögen das. Dazu kommt die Geschichte: Ferdinand Sigg gründete die Firma im Jahr 1908, kurz darauf wurde die legendäre Flasche entworfen. Sie wird bis heute aus einem Stück Rohaluminium gepresst und in der Schweiz hergestellt. Es soll Leute geben, die den ganzen Tag daran nuckeln. "Sexy Vintage Look" schreiben sie in ihre Bewertungen oder auch: "Mal nicht aus Asien :)" Ein schweizerisches Traditionsunternehmen also, dessen Produkte man bedenkenlos in den Mund nehmen kann. Heibel und Kirsch? Sind für die Sigg-Fans nichts als Nörgler.

Jetzt hat dieses glattpolierte Bild einen tiefen Kratzer bekommen. Die chinesische Firma Haers Vacuum Containers, die schon heute Edelstahlflaschen für Sigg produziert, teilte mit, dass sie die Schweizer Firma übernehmen wird. 80 Mitarbeiter, fast alle in Frauenfeld, haben künftig eine neue Führung. Nur einen Tag, nachdem Chem-China dem Basler Agrochemie-Konzern Syngenta ein milliardenschweres Angebot gemacht hat, kaufen die Chinesen das nächste Schweizer Unternehmen.

Dieses Mal gehen zwar nur 14 Millionen Euro über den Tisch, die Wirkung aber ist beträchtlich. Die Geschichte vom Ausverkauf eines Traditionshauses passt gut in die Zeit. Sie stimmt aber nicht: Seit mehr als zehn Jahren gehört Sigg der amerikanischen Beteiligungsgesellschaft The Riverside. Ihr Geschäftsmodell: Kaufen und weiterverkaufen. Ob der Geschäftspartner auf den Cayman Islands sitzt oder aus Yong-Kang in der Provinz Zhejiang kommt, dürfte dabei ziemlich egal sein.

Als das Schweizer Fernsehen in Frauenfeld auftaucht, kommt der Chef Stefan Ludewig gerade aus China. Bis der Vertrag fest ist, will er nichts kommentieren. Dann sagt er doch was: Die Arbeitsplätze in der Schweiz blieben erhalten. Und: Der Schritt, mit dem Haers Vacuum Containers zur "international bekannten Produzentin von hochwertigen Trinkflaschen" werden will, biete Sigg "nur Chancen".

In den vielen Kommentaren sieht man das weniger entspannt. "Helvetia, wach auf!!"schreiben die einen, "gute Nacht Schweiz" die anderen, nicht wenige rufen zum Sigg-Boykott auf. Die Wanderflasche aus Alu hat das nächste Level erreicht. Sie hat nicht mehr nur Nörgler, sie wird nun gehasst.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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