Zwischen den Zahlen:Ein treuer Freund

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Das Autoradio gehörte lange in jedes Fahrzeug. Es war der Begleiter, der peinliche Pausen gar nicht erst entstehen ließ und auf Nachtfahrten noch fröhlich vor sich hindudelte. Jetzt verschwindet Blaupunkt. Eine Hommage.

Von Caspar Busse

Helsinki, Köln, Amsterdam, Biarritz - die Dinger hatten immer tolle Namen. Sie klangen nach großer Welt, weckten Fernweh und standen auch irgendwie für Weltläufigkeit. Autoradios der Firma Blaupunkt kamen zwar aus der Provinzstadt Hildesheim südöstlich von Hannover, aber sie waren in der Welt zu Hause.

Sie waren jahrzehntelang für Autofahrer ein treuer Begleiter, so etwas wie ein Freund, einer, der nie schwieg, der keine peinlichen Pausen entstehen ließ, der selbst in tiefer Nacht auf der dunklen Autobahn noch fröhlich vor sich hindudelte, auf gute Laune machte und den Chauffeur wach hielt. Dieser kleine, rechteckige Kasten im Armaturenbrett mit den beiden Knöpfen, später mit einem Schacht für Kassetten, das war für manchen einsamen Cowboy der Landstraße die Verbindung zur Außenwelt.

Doch damit ist jetzt Schluss. Endgültig. Blaupunkt wird abgewickelt, die letzten 33 Mitarbeiter (der jüngste angeblich noch keine 30 Jahre alt) werden Ende Mai entlassen. Irgendein Investor kauft zwar die Namensrechte, aber Blaupunkt ist Geschichte. Jahrzehntelang gehört die Firma zu Bosch, doch die Schwaben hatten schon 2008 die Lust verloren.

Dabei hatte das Blaupunkt-Vorgängerunternehmen Ideal 1932 Europas erstes Autoradio vorgestellt, unter dem schönen Namen "Autosuper AS 5". Es war größer als ein Schuhkarton und kostete 325 Reichsmark. Hundert Millionen Geräte wurden seitdem verkauft.

In den Achtzigerjahren brachten die Niedersachsen sogar das erste Straßennavi Europas auf den Markt: Eva, was für "elektronischer Verkehrslotse für Autofahrer" stand. Die Landkarte war auf einer Kassette gespeichert, deren Datenvolumen reichte aber nur für die Innenstadt von Hildesheim.

Wie schon Kodak, AEG, Nokia: Am Ende überrollte die Digitalisierung auch Blaupunkt. Das klassische Autoradio ist verschwunden, das Geschäft machen heute andere. Die Limousinen von heute sind rollende Hightech-Geräte, vernetzt mit der Welt, vollgestopft mit Chips und Elektronik. Wem das alles nicht reicht, der schließt sein Smartphone an.

Es ist also Zeit, Abschied zu nehmen. Da kann auch die Meldung nicht trösten, dass die berühmten Alcotest-Röhrchen ebenfalls verschwinden. Also die Dinger, in die Generationen von Autofahrern pusten mussten, damit die Polizei in Sekunden feststellen konnte, ob Alkohol im Spiel ist. Heute wird das mit elektrochemischen Sensoren festgestellt. Nach 63 Jahren wird gerade die letzte Charge der Röhrchen produziert - für Sri Lanka. Vielleicht gibt es dort wenigstens noch Autoradios.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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