Zusammenschluss:Airbus der Meere

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Europas Wirtschaft rückt weiter zusammen: Frankreich und Italien vereinigen Kreuzfahrtschiffwerften - durch kreative und verschachtelte Finanzarchitektur.

Von Ulrike Sauer

Wenn man die Beteiligten richtig verstanden hat, dann gibt es bei dieser Werftenfusion nur Gewinner, aber keine Verlierer. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron spricht von einer Win-Win-Lösung, der italienische Regierungschef Paolo Gentiloni von einer "exzellenten Einigung". Trotzdem fragen sich viele: Wer hat denn jetzt eigentlich gewonnen? "Uns ist es beiden gelungen, zu siegen", sagt Macron zum Abschluss des bilateralen Gipfeltreffens in Lyon. Zumindest das Gesicht soll bei dieser Milliardenfusion keiner verlieren.

Es war ein Kompromiss, den Macron und Gentiloni nach einem langen Tauziehen um die Übernahme der Werft STX France durch den italienischen Rivalen Fincantieri aus Triest vorgestellt haben. Es entsteht ein italienisch-französischer Konzern mit zehn Milliarden Euro Umsatz - jener "Airbus der Meere", von dem Fincantieri-Chef Giuseppe Bono seit zehn Jahren träumt. Der Zusammenschluss betrifft zunächst den Bau von Kreuzfahrtschiffen, soll aber zügig auf die maritime Rüstungsindustrie ausgedehnt werden. Neben STX und Fincantieri beteiligen sich die französische Naval Group und Thales sowie der römische Technologiekonzern Leonardo (Ex-Finmeccanica) an dem Projekt.

Europas Wirtschaft rückt also weiter zusammen. Wenige Stunden nach der Fusion der Zugsparten von Siemens und Alstom bündeln Italiener und Franzosen nun ihre Kräfte, um mit einem starken europäischen Werftkonzern der globalen Konkurrenz im Schiffbau die Stirn zu bieten.

Eine kreative Finanzarchitektur brachte den Durchbruch in den Verhandlungen. Italiener und Franzosen teilen sich den Besitz paritätisch. Fincantieri übernimmt 50 Prozent, die andere Hälfte wird vom französischen Staat und anderen Aktionären kontrolliert. So hält Macron sein Versprechen, Frankreich werde die Mehrheit an der Traditionswerft, die berühmte Schiffe wie die Queen Mary vom Stapel laufen ließ, nicht hergeben. Die Franzosen leihen Fincantieri für zwölf Jahre ein Prozent der Aktien, um der italienischen Seite wie verlangt die Kontrolle über das fusionierte Unternehmen zu gewähren; Fincantieri darf die Leitung des neuen Schiffbaukonzerns bestellen. Die französische Seite besitzt jedoch ein Vetorecht.

In regelmäßigen Abständen wird überprüft, ob Fincantieri die Vertragsbedingungen einhält. "Wir haben Beschäftigungsgarantien verlangt und einen Schutz vor Technologietransfer", sagte Macron. Bei einem Verstoß kann Frankreich seine 51 Prozent zurückkaufen. In Pariser Regierungskreisen prägte man für die Konstruktion den Begriff "elastische Privatisierung". Medien nannten das, was da passierte, treffender "Seeschlacht". Macron hatte im August die unter seinem Vorgänger Francois Hollande vereinbarte Übernahme durch Fincantieri gestoppt und STX France kurzerhand verstaatlicht.

© SZ vom 29.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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