Zerschlagung der Energiekonzerne:Deutschland - das Stromlabor

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Im Handstreich hat Brüssel erstmals den Verkauf eines deutschen Stromnetzes durchgesetzt - und revolutioniert damit den Energiemarkt.

Michael Bauchmüller

Das Experiment kann beginnen. Als erster deutscher Energiekonzern wird sich Eon von großen Teilen seines Stromnetzes trennen.

Im Gegenzug werden die EU-Wettbewerbshüter ihre Verfahren gegen Eon einstellen. Im Handstreich hat Brüssel damit erstmals den Verkauf eines deutschen Stromnetzes durchgesetzt.

Das ist nicht irgendeine Änderung des Eon-Geschäftsmodells. Das ist eine Revolution am deutschen Strommarkt.

Jahrzehntelang pflegten die deutschen Energieversorger das Leitbild des "integrierten Unternehmens", das den Strom erzeugt, ihn transportiert und verkauft. Eon macht damit Schluss. Ohne Stromnetz wird ein entscheidender Teil dieser Kette fehlen.

Kein Versorger mehr

Der Konzern, der offenbar auch über den Verkauf seiner Stadtwerke-Beteiligungen nachdenkt, wird nicht mehr der alte sein. Es bleiben vor allem die deutschen Kraftwerke, die Gastochter Ruhrgas und der bundesweite Stromanbieter E wie einfach. Mit dem klassischen deutschen Energieversorger hat das nicht mehr viel gemein.

Der Netzverkauf scheint sich für die Stromkonzerne sogar zu lohnen. Denn seit zwei Jahren regelt die Bundesnetzagentur schrittweise die Erlöse aus dem Stromnetz herunter. Noch vor wenigen Jahren verdienten die Unternehmen üppig an ihren Stromnetzen, mitunter hielt ihnen das Netzmonopol auch lästige Konkurrenz vom Hals.

Inzwischen aber sind die Stromnetze bis ins Detail reguliert, die Renditen sind deutlich gesunken. Dass sich der Aktienkurs von Eon am Donnerstag in einem schwachen Markt bestens behauptete, spricht Bände. Für den renditehungrigen Eon-Chef Wulf Bernotat dürfte sich das Netz-Opfer in ziemlich engen Grenzen halten.

Der wahre Verlierer ist die Bundesregierung. Mit der überraschenden Übereinkunft haben Eon und die EU-Kommission Berlin eiskalt düpiert. Sie kam just an einem Tag, an dem die Energieminister der EU über die künftige Regulierung der Energienetze diskutierten - und über Alternativ-Vorschläge der Bundesregierung.

Sie kämpft seit Monaten dafür, den Energiekonzernen die Netze zu lassen, sie nur schärfer zu regulieren, übrigens auch auf Druck von Eon. Hoffnungen auf eine Brüsseler Sonderregelung dürften mit dem Eon-Deal perdu sein. Womöglich werden nun auch RWE, Vattenfall Europe und EnBW nicht mehr lang Netze besitzen. Die EU hat einen Trumpf in der Hand, kann den Verkauf erzwingen.

Schlimmer noch: Einen Plan B hat der Bund nicht; auf einen freiwilligen Verkauf von Stromnetzen ist er schlicht nicht vorbereitet. Zwar war auch die Bundesregierung zuletzt immer bei der Hand, die Energiekonzerne für alles mögliche zu beschimpfen. Insgeheim verließ sie sich aber immer darauf, dass die Spannung im deutschen Stromnetz stets stimmt. Die vier großen Netzbetreiber waren immerhin eingespielt. Und jetzt?

Jetzt könnte ein ganz neuer Mitspieler auftauchen, kein Mensch weiß wer. Vielleicht ein großer ausländischer Netzbetreiber, einer wie die britische National Grid. Selbst ein x-beliebiger Pensionsfonds könnte ins Stromnetz einsteigen. Einer, der nicht die schnelle Mark machen will, sondern langfristig stabile Renditen.

Wie aber stellt der Bund sicher, dass der auch genügend ins Stromnetz investiert? Dass die dringend nötigen neuen Trassen sich nicht noch weiter verzögern? All das lässt sich bewerkstelligen, es erfordert nur neue, noch strengere Vorgaben. Womöglich muss der Bund sogar darüber nachdenken, sich selbst am Stromnetz zu beteiligen. Und ja: Das ganze ist ein großes Experiment.

Allerdings eines, das sich lohnen könnte - für die Verbraucher. Ein unabhängiger Netzbetreiber hat immer ein Interesse, möglichst viel Strom durch seine Leitungen zu schleusen, schließlich verdient er damit mehr Geld.

Auch wird er größeres Interesse daran haben, die Leitungen zu den Nachbarländern auszubauen, er muss die Konkurrenz anderer Stromerzeuger ja nicht fürchten. Und die so oft geforderte Transparenz lässt sich in völlig getrennten Unternehmen besser herstellen als im integrierten Großkonzern, und sei er noch so scharf reguliert. Eins freilich muss unter allen Umständen sicher sein: die Stromversorgung.

© SZ vom 29.2.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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