Zeitgeschichte:Hitlers Abwrackprämie

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Bereits im Dritten Reich sollte die lahmende Nachfrage mit einer "Verschrottungshilfe" angekurbelt werden - doch sie zeigte so gut wie keine Wirkung.

Willi Winkler

Kaum an der Macht, drängt es Joseph Goebbels 1933 hinaus ins wirkliche Leben, also in den Autosalon. "Gestern Nachmittag: mit Magda Auto-Ausstellung. Wunderbare deutsche Klassewagen. Wir haben wieder die Führung." Denn warum sollte er sich nicht gleich ein Auto kaufen und der nationalsozialistischen Volks- und Konsumwirtschaft mit gutem Beispiel vorangehen? Wenn er allerdings nur zwei Monate länger Geduld gezeigt hätte, dann hätte Goebbels, seit dem 13. März 1933 Propagandaminister, von einem neuen Gesetz profitieren können, das alle neuen Personenkraftwagen von der Kfz-Steuer befreite.

Heute gibt es die staatlich verordnete Umweltprämie, besser bekannt als Abwrackprämie. Im Dritten Reich sollte die "Verschrottungsordnung" die Nachfrage ankurbeln. (Foto: Foto: dpa)

Die NS-Regierung förderte nämlich wie noch keine zuvor die Automobilisierung der Bevölkerung. Dazu gehörte nicht nur der vielberedete Autobahnbau, der bereits in den letzten Jahren der Weimarer Republik begonnen worden war, sondern auch dieses Steuergeschenk, das die notleidende Autoindustrie aufhelfen sollte. Trotzdem waren die Zulassungszahlen im dritten und vierten Quartal 1933 zurückgegangen; das Konjunkturprogramm wollte nicht anschlagen. Während die Dichter den Bleistift spitzten ("Die Stirn schließt mit der Faust den Bund;/ein deutsches Wunder wird hier kund./Und jeder, der hier dienend stand,/schuf mit am neuen Vaterland"), drohte die Wirtschaft zu verharren.

Lahmende Nachfrage

Da verfiel der Staatssekretär im Finanzministerium, Fritz Reinhardt, auf eine Variante, die erstaunlich aktuell anmutet: Neben einem Ehestandsdarlehen in Höhe von 1000 Reichsmark, das vor allem dazu diente, die Frau vom Arbeitsmarkt fern- und dafür im Wochenbett zu halten, wollte das Ministerium die lahmende Nachfrage durch eine Verschrottungsverordnung befördern, die am 13. Dezember 1933 erlassen wurde.

So ist es jedenfalls einem Artikel der Zeitschrift Germania zu entnehmen der durch den "Zeitungszeugen"-Nachdruck zum Vorschein gekommen ist. Dort werden 1934 die Vor- und Nachteile des neuen "Gesetzes über Steuerfreiheit für Ersatzbeschaffungen" ausführlich diskutiert. Die Steuerfreiheit sollte nur gewährt werden, "wenn die alten Gegenstände außer Betrieb gesetzt und vernichtet oder verschrottet" würden. Das klingt beinahe wie heute bei der Abwrackprämie.

Nicht sonderlich hilfreich

Doch die Verschrottungshilfe von 1933 war nicht sonderlich hilfreich. Bei dem geringen Motorisierungsgrad, der 1934 oder 1935 in Deutschland erreicht war, konnte auch die nationalsozialistische Abwrackprämie nicht für das "deutsche Wunder" zu sorgen, das Adolf Hitler seinem Volk mit jeder Rede aufs neue versprach.

Firmen wie Opel senkten deshalb mit großem propagandistischen Aufwand bereits zum Jahresende 1934 die Preise, um die Fabrik über den Winter zu bringen; der vierzylindrige Opel 1 mit der bekannten Opel-Synchron-Federung war dann schon für 2650 statt für 2850 Reichsmark zu haben. Trotzdem kam die Nachfrage nur stotternd in Gang, und wenn nicht die Notenpresse und die Vorbereitungen für den Weltkrieg mitgeholfen hätten, wäre es gar nichts mit dem Wirtschaftswunder geworden.

Den ehemaligen Dichter Goebbels kümmerte derlei Kleinkram nicht. "Mein Mercedes ist wie ein Gedicht", schwärmte er im Autosalon und brauste davon.

© SZ vom 18./19.04.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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