Zahlungsfähig und sozial:Die Schweiz ist Vorbild bei den Renten

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Die Überalterung der Bevölkerung macht die Finanzierung der Renten in den meisten Industrieländern schwierig. Massive Widerstände gegen Reformen zeigen die Brisanz dieser Frage. Zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit und der Verbreiterung der Finanzierungsbasis der Renten gibt es jedoch keine Alternative.

Gerhard Bläske

(SZ vom 10.06.03) - Generalstreik in Österreich, Demonstrationen in Italien und Deutschland, ständige Ausstände in Frankreich: Viele Menschen sorgen sich um ihre Renten.

Die Alterssicherungssysteme, die nach Ansicht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bisher ein Erfolg waren, weil sie den Ruheständlern in praktisch allen Ländern den gewohnten Lebensstandard sicherten, sind bedroht.

Früher in Pension als mit 65 Jahren

Die Menschen werden älter und beziehen länger Geld, die Zahl der Beitragszahler schmilzt im Verhältnis zu den Rentenbeziehern, die hohe Arbeitslosigkeit schmälert die Basis der Einzahler. Zudem gehen die Menschen in den meisten Ländern früher in Pension als mit 65 Jahren.

Das gilt vor allem für Frankreich, Luxemburg und Belgien. Das in diesem Zusammenhang oft gebrauchte Argument, damit würden Arbeitsplätze für Junge freigemacht, lässt sich im Fall Frankreichs leicht widerlegen: Dort ist die Jugendarbeitslosigkeit mit etwa 25 Prozent besonders hoch.

Die Probleme der Rentenkassen lassen sich durch Einwanderung, eine höhere Beschäftigungsquote von Frauen oder höhere Produktivität nicht lösen. Höhere Versicherungs-Beiträge für Arbeitgeber verteuern den Faktor Arbeit. Müssen die Arbeitnehmer mehr zahlen, schränkt das ihr verfügbares Einkommen ein und damit den Konsum. Die Staatskassen schließlich sind leer.

Abrutschen in die Sozialhilfe

Würden die Renten generell gesenkt, drohte vor allem Beziehern niedriger Bezüge ein Abrutschen in die Sozialhilfe. Die Finanzierungs-Probleme würden so nur verschoben.

Monika Queisser, Rentenexpertin der OECD in Paris, ist der Auffassung, die Politik muss breiter ansetzen und die Frage nach der Nachhaltigkeit ihrer Entscheidungen stellen. Studien der OECD zeigen, dass das höchste Armutsrisiko nicht bei Rentnern, sondern kinderreichen Haushalten liegt.

Queisser betrachtet die Rentenreformpläne etwa in Frankreich als Schritt in die richtige Richtung. Doch in den meisten Ländern reichten die Reformen nicht aus und basierten auf zu optimistischen Annahmen über die Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Nach ihrer Ansicht müssen vor allem die Anreize erhöht werden, länger zu arbeiten - etwa in Form des Erwerbs zusätzlicher Rentenansprüche.

Frühverrentungsprogramme beenden

Gleichzeitig müssten Frühverrentungsprogramme beendet werden. Das Ganze müsse gepaart werden mit flexibleren Arbeitszeitmodellen und der Beseitigung von Hindernissen für Ältere, im Arbeitsmarkt zu bleiben.

Zudem sei die Alterssicherung auf eine breitere Grundlage zu stellen. Neben die klassische Umlagefinanzierung müssten Komponenten wie Betriebsrenten, Private Vorsorgesysteme oder Steuererleichterungen treten. Länder, die damit früh angefangen hätten, seien meist in einer besseren Situation.

Vorbild ist nach ihrer Ansicht die Schweiz. Dort gibt es die sogenannte Bürgerrente, in die jeder Staatsbürger, und zwar ohne Beitragsbemessungsgrenze, 8,4 Prozent seines Brutto-Einkommens (die Hälfte davon zahlt der Arbeitgeber) zahlt, und dafür eine Pension von mindestens 1.000, höchstens aber 2.000 Franken pro Monat erhält.

Zweiter Pfeiler

Zweiter Pfeiler ist die Betriebsrente, die ebenfalls von Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert wird. Die Mittel werden von den Betrieben oder Sammelstiftungen kleinerer Unternehmen verwaltet und verzinst.

Trotz momentan niedriger Zinsen steht das System laut Queisser auf einer tragfähigen Grundlage. Da die Schweiz dieses System schon 1948 eingerichtet hat, erreichen die Reserven derzeit 121 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ein Durchschnittsverdiener erhält neben der Bürgerversicherung noch einmal 2.000 bis 2.500 Franken pro Monat aus seiner Betriebsrente.

Dieses System sei sozialer als die großen Rentensysteme etwa in Deutschland, Frankreich oder Italien, meint Queisser, weil Millionäre den selben Prozentsatz zahlen wie Arbeiter.

Es sei nicht gerecht, wenn Studienzeiten angerechnet werden. Niedriglohnbezieher, die meist körperlich anstrengende Berufe ausübten und eine niedrige Lebenserwartung hätten, profitierten nur vergleichsweise kurze Zeit von ihren Beitragszahlungen.

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