WTO-Verhandlungen gescheitert:Jeder gegen jeden in der Welt

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Die Ordnung des Welthandels gerät aus den Fugen.

Marc Beise

So oft schon sind Welthandelsrunden für tot erklärt worden - und waren es am Ende doch nicht. Auch mit diesem späten Juli-Tag des Jahres 2006 bricht keine Katastrophe herein - dieses Vokabular sollte dem Nahen Osten vorbehalten bleiben.

Und doch ist es diesmal anders als nach vielen gescheiterten Ministertreffen zuvor: Die Doha-Runde ist am Ende und damit die weitere Liberalisierung und Verrechtlichung der Weltwirtschaftsbeziehungen.

Die Ordnung des Welthandels gerät aus den Fugen. Es hat dies kein unmittelbares Elend zur Folge wie ein Bombenabwurf oder eine Flutwelle. Die Folgen des Genfer Scheiterns wird der Bürger nicht heute registrieren und nicht morgen, aber sie werden umso gewaltiger sein. Es geht sogar auch um Leben und Tod. Es geht darum, ob die reichen Länder ihren Wohlstand erhalten und die

Entwicklungsländer dennoch aufholen können. Ob Menschen in der Dritten Welt mit ihren eigenen Händen ihren Hunger stillen, ihren Lebensunterhalt verdienen können. Ob Kranke Medikamente zu bezahlbaren Preisen bekommen. Es geht auch darum, wer in der Weltwirtschaft das Sagen hat: nur der mit dem meisten Geld und auch den meisten Waffen?

Die Kritiker der Globalisierung und Gegner internationaler Organisationen wie der Welthandelsorganisation (WTO) werden nun triumphieren: Die Institutionen haben versagt, die Strukturen verfallen: Die WTO ist ein Papiertiger.

Aber es wird ein trauriger Triumph. Eigentlich hatte die WTO alles, was es Wert gemacht hätte, zu einem Verhandlungserfolg zu kommen: eine Organisation, in der jeder Staat eine Stimme hat, in der auch schwächere Staaten dank Interessenbündelung und Paketlösungen wenigstens ein Stück weit zu ihrem Recht kommen. Die klügsten Berater, einen Generaldirektor namens Pascal Lamy, international erfahren und mit allen diplomatischen Wassern gewaschen. Trotzdem hat es nicht sein sollen - vor allem, weil die USA das multilaterale System zugunsten bilateraler Verträge aufgeben. Aber auch die EU trägt Mitschuld am Scheitern. Wo waren ihre Staats- und Regierungschefs, als es galt, Kompromisse zu finden?

Formal ist nur eine Handelsrunde gescheitert, und womöglich wird sie ja noch einmal wiederbelebt. In der Sache triumphiert mehr denn je wieder der Protektionismus, der nationale Egoismus, der Kampf jeder gegen jeden. So war es vor 1945, und so sollte es eigentlich nie wieder sein. Der neue Geist wird bis auf die unterste Ebene durchschlagen, und alle werden am Ende dafür bezahlen.

© SZ vom 25.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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