Worten sollten Taten folgen:Baustelle Bürokratie

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Bei jeder Gelegenheit plädiert Wirtschaftsminister Clement für den Abbau überflüssiger Regeln - geschehen ist bisher nur wenig.

Von Nina Bovensiepen

Der Ort der Feierlichkeit war passend gewählt. Zur Zwischenbilanz der Initiative zum Bürokratieabbau in Ostwestfalen-Lippe trafen sich deren Unterstützer am Mittwochabend im "Marta" in Herford.

(Foto: Tabelle: SZ)

Das Veranstaltungsforum, entworfen vom Architekten Frank Gehry, öffnete dafür erstmals seine Pforten - an vielen Ecken ist das Gebäude nämlich noch eine Baustelle.

Als Baustelle muss man wohl auch das von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) einst mit viel Elan angestoßene Projekt zum Bürokratieabbau in Deutschland bezeichnen. Sein Anliegen, den in Jahrzehnten entstandenen Vorschriftendschungel zu lichten, verkündet der Minister seit Amtsantritt.

Ob Ladenschluss, Schornsteinfegermonopol oder ein zu kompliziertes Steuerrecht - vieles ist Clement ein Dorn im Auge und bei jeder Gelegenheit wiederholt er sein Credo von weniger Regulierung und Bürokratie. Die Taten bleiben dabei allerdings nach Meinung von Beobachtern bislang hinter den Worten zurück.

Von 1000 Vorschlägen kamen 29 durch

"Besonders viel Mut hat der Wirtschaftsminister nicht bewiesen", sagt Jürgen Heinrich von der Ostwestfalen-Lippe (OWL) Marketing GmbH.

Ostwestfalen-Lippe war zum Start der bundesweiten Initiative Bürokratieabbau im Juli 2003 gemeinsam mit Bremen und Westmecklenburg zur so genannten Innovationsregion ausgerufen worden. In diesen Testgebieten, so die Idee, sollten Vorschriften probeweise ausgesetzt werden können, um zu sehen, ob das zum Beispiel das Wachstum ankurbelt.

Zuvor hatten die Regionen gemeinsam mit Industrie- und Handelskammern, Verbänden und der Bertelsmann-Stiftung rund 1000 Vorschläge erarbeitet, wo Vorschriften gelockert oder abgeschafft werden könnten. Von diesem Bündel segnete das Kabinett am Ende allerdings nur 29 Vorhaben ab.

Viele Vorschläge nicht mit geltendem Recht vereinbar

Ursprünglich sollten diese bis Ende des Jahres umgesetzt sein - doch der Prozess zieht sich.

Als Grund, dass so viele Ideen aus den Regionen ausgesiebt wurden, führt das Wirtschaftsministerium an, dass viele Vorschläge - etwa eine Lockerung des Kündigungsschutzes - nicht mit Bundes- oder Europarecht vereinbar gewesen seien.

Dem halten Kritiker entgegen, ein Gedanke der Initiative sei es ja gerade gewesen, im Kleinen, also in den Innovationsregionen, einmal den Mut zu Veränderungen zu haben, die im Großen noch schwer durchzusetzen sind.

Versandet und abgespeckt

"Erst die Praxis zeigt, wo der Schuh drückt. Daher ist das zeitlich befristete Testen von Deregulierungsvorschlägen in den Regionen so notwendig", sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs.

Ansonsten machten Testregionen keinen Sinn und verdienten den innovativen Namen nicht.

Die Idee der Innovationsregionen ist inzwischen aber ohnehin versandet. Die deutlich abgespeckte Liste zur Entbürokratisierung, so entschied Clement, solle gleich bundesweit umgesetzt werden.

"Der Minister hatte wohl Angst, sich lächerlich zu machen, wenn er dieses dürftige Programm mit dem Konzept der Innovationsregionen verknüpft", lästert ein Kritiker.

In Ostwestfalen-Lippe indes lässt man sich von dem erlahmenden Engagement in Berlin nicht bremsen. Wenn schon nicht als Modell für Deutschland, so testet die Region nun für Nordrhein-Westfalen aus, wie Bürokratieabbau funktionieren kann.

So wurde zum Beispiel das "lernende Gesetzgebungsverfahren" etabliert, bei dem Vorschriften nur auf Zeit in Kraft treten. Zudem erlaubt es das "Bürokratieabbaugesetz OWL", Landesvorschriften befristet auszusetzen.

In den Justizbehörden laufen Modellprojekte, in denen das digitale Diktieren und der Einsatz von Mediatoren in Zivilverfahren getestet wird. Und an den Hochschulen wurde es Existenzgründern durch eine Satzungsänderung erlaubt, die Uni-Einrichtungen zum Start ihrer Selbstständigkeit weiter zu nutzen.

"Hier passiert was - dieses Signal wollen wir aussenden", sagt Jürgen Heinrich aus Ostwestfalen-Lippe. Dies sei nicht immer einfach. "Bürokratieabbau ist eine Daueraufgabe, die mehr mit der Arbeit eines Gärtners als mit der eines Architekten zu tun hat", hat er gelernt.

Auch das ist wohl eine Erklärung, warum es damit nur langsam vorwärts geht.

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