Wo Diktatoren investieren:Paradies London

Lesezeit: 2 min

Die Korruptions-Bekämpfer der Organisation Transparency International schätzen, dass zwielichtige Potentaten und Gangster aus aller Welt Schwarzgeld mit dem Erwerb Londoner Häuser reinzuwaschen versuchen.

Von Björn Finke, London

Hampstead ist ein grüner, idyllischer Stadtteil im Nordwesten Londons. Und ein teurer. Saadi Gaddafi gefiel das Viertel so sehr, dass sich der Sohn des gestürzten libyschen Diktators ein großzügiges Haus kaufte - zu Zeiten, als sein Vater noch regierte. Angeblich schmiss der Junior manch gesellige Sause mit Prostituierten. Das Geld für die Immobilie, die 14 Millionen Euro wert sein soll, hatte der Gaddafi-Klan aus dem Staatshaushalt abgezweigt, wie ein britisches Gericht urteilte.

Damit sollen die Gaddafis in guter - oder eher: schlechter - Gesellschaft sein. Die Korruptions-Bekämpfer der Organisation Transparency International schätzen, dass zwielichtige Potentaten und Gangster aus aller Welt Schwarzgeld mit dem Erwerb Londoner Häuser reinzuwaschen versuchen. Darunter leiden die vielen ehrlichen Briten, die sich in ihrer eigenen Hauptstadt keine Wohnung mehr leisten können: "Die Immobilienpreise werden künstlich hochgetrieben durch ausländische Kriminelle, die ihr Vermögen in Großbritannien parken wollen", sagt Donald Toon, Chef der Abteilung für Wirtschaftsverbrechen bei der Polizeibehörde National Crime Agency.

Premierminister David Cameron fürchtet um den Ruf seines Landes. Das Vereinigte Königreich dürfe nicht zum "sicheren Hafen für korruptes Geld aus der ganzen Welt" werden, sagte der Konservative. Cameron kündigte an, Immobiliengeschäfte transparenter zu machen. Verbrecher wickeln die Käufe oft durch Firmen in Steueroasen ab, deren Besitzer anonym bleiben - dieses Problem will der Politiker angehen. Wobei Fachleute warnen, dass er wenig ausrichten kann: Schließlich kann Großbritannien die Regierungen von Steueroasen schlecht zwingen, die Namen der Unternehmensbesitzer herauszurücken.

Londoner Immobilien bieten sich für Geldwäsche an, weil die Preise rasant gestiegen sind. Deswegen kann ein einziges Geschäft gleich mehrere Millionen Pfund Schwarzgeld in ein scheinbar seriöses Investment verwandeln. Häuser in der Hauptstadt lassen sich später wieder schnell verkaufen, und die Gefahr, durch einen Absturz der Preise Verluste zu erleiden, sehen Experten als gering an. Daher stecken nicht nur Kriminelle, sondern auch viele ehrliche Reiche aus dem Ausland ihre Millionen gerne in Betongold an der Themse. Entwickler schneiden Neubauprojekte auf die Bedürfnisse des Jetset zu - entsprechend weniger wird für Normalverdiener hochgezogen. Die leiden unter unverschämten Preisen und Mieten. Britische Immobilienmakler scheinen das Schwarzgeld-Problem nicht sonderlich ernst zu nehmen. Banken, Händler und Dienstleister müssen der Polizei melden, wenn Geschäfte oder Einzahlungen einen Verdacht auf Geldwäsche erregen. Während Finanzinstitute der Pflicht sorgsam nachkommen, schlugen Makler im vergangenen Jahr nur 179-mal Alarm - absurd wenig, finden Fachleute. Selbst der Maklerverband räumt ein, dass der niedrige Wert Grund zur Sorge sei. Seine Organisation arbeite daran, dass die Zunft besser werde, sagt Verbandschef Mark Hayward. Einen Hinweis auf das Ausmaß des Problems liefert eine Studie von Transparency. Demzufolge besitzen ausländische Unternehmen 40 725 Immobilien in London. 89 Prozent davon sind in der Hand von Firmen aus Staaten, in denen die Eigner ihre Identität verschleiern können. Damit gehören solchen Unternehmen geschätzt mindestens sechs Quadratkilometer Londoner Wohnfläche. In ganz Großbritannien nahm die Polizei seit 2004 Immobilien im Gesamtwert einer Viertelmilliarde Euro unter die Lupe, weil sie den Verdacht hegte, die Besitzer hätten sie mit Bestechungsgeld gekauft. Und siehe da: In mehr als drei Viertel der Fälle nutzten die Eigentümer dafür anonyme Firmen aus dem Ausland.

© SZ vom 03.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: