Wirtschaftsprognosen:Schlechter als der Wetterfrosch

Frankfurt am Main

Wie vorhergesagt: heiteres Wetter in Frankfurt am Main.

(Foto: dpa)

Ökonomische Prognosen sind in den vergangenen 40 Jahren nicht besser geworden - dafür aber die Trends der Meteorologen. Ein Grund für die unterschiedlichen Fehlerquoten: Der Himmel reagiert nicht auf Vorhersagen. Die Wirtschaft schon.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Es gibt ja nicht wenige Berufsgruppen, die immer mal wieder den Spott der Allgemeinheit gepachtet haben. Dazu gehören neben Politikern und Meteorologen auch die Ökonomen. Auch Wirtschaftswissenschaftler üben sich bekanntlich gerne in Prognosen. Das gehört zum Kerngeschäft und wird von der Zunft erwartet.

Allerdings muss jede Sozialwissenschaft damit leben, dass es ziemlich schwierig ist, das Verhalten von Menschen vorherzusagen - gerade auch wenn der Mensch als Unternehmer und Konsument, mithin als Wirtschaftssubjekt agiert. Daher mag es kaum überraschen, dass Ökonomen hin und wieder der eine oder andere Prognosefehler unterläuft.

Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik am Institut für Wirtschaftsforschung Halle, hat das keine Ruhe gelassen. Der junge Universitätsprofessor der Volkswirtschaft mag seinen Job viel zu sehr, als dass er die immer wieder auflodernde Häme gegen seine Zunft unwidersprochen hinnehmen möchte. Auch im Internet kursieren viele Ökonomenwitze. Einer geht so: "Warum hat Gott die Ökonomen geschaffen? Damit die Wettervorhersager besser aussehen."

Ökonomie oder Wetter - was lässt sich treffsicherer prognostizieren? Holtemöller hat diesen Witz aus dem Internet als Einstieg gewählt für seine achtseitige Betrachtung zu ebenjener Frage. "Den Wettervorhersagen ist es in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, ihre Prognosefehler merklich zu verringern", liest man schon in Holtemöllers zweitem Absatz. Man ahnt am Tenor dieser Textpassage, dass dieser Erfolg ökonomischen Prognosen wohl nicht gegeben war. Und richtig: "Eine sinkende Tendenz beim Prognosefehler ist nicht zu erkennen."

Realwirtschaft kann man nicht ins Labor stecken

Holtemöller hat sich die Vorhersagen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (die fünf Weisen) und die Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute angeschaut, die regelmäßig das Wirtschaftswachstum für Deutschland prognostizieren.

"Der absolute Prognosefehler für die Veränderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukts im jeweils folgenden Jahr lag seit 1967 bei Gemeinschaftsdiagnose und Sachverständigenrat im Schnitt über einem Prozentpunkt", sagt Holtemöller im Gespräch. "Das hat sich in den letzten Jahren auch nicht wesentlich verbessert. Die Experten lagen mal zu hoch daneben oder zu tief ", so die traurige Feststellung. Aber immerhin: "Einen systematischen Fehler machen sie nicht."

Holtemöller sucht nach Erklärungen für diesen Tatbestand. So sei das Bruttoinlandsprodukt mit erheblicher Messungenauigkeit behaftet, während sich die Temperatur sehr genau messen lasse. Zweitens bestehe in der Wirtschaftswissenschaft eine große Unsicherheit über tatsächliche Wirkungszusammenhänge. "Experimente sind im makroökonomischen Kontext so gut wie unmöglich." Stimmt schon, man kann die Realwirtschaft nicht ins Labor stecken.

Drittens unterscheide sich menschliches Verhalten und damit auch wirtschaftliche Aktivität in einem für Prognosen zentralen Punkt vom Wetter: "Das Wetter reagiert nicht auf Wetterprognosen." Wenn aber Prognostiker zum Schluss kämen, dass sich die wirtschaftliche Lage verändere, dann reagiere die Politik mit wirtschaftspolitischen Eingriffen. "Außerdem beeinflussen Konjunkturprognosen die wirtschaftliche Aktivität von Marktteilnehmern", so der Ökonom.

Dennoch hält Holtemöller gesamtwirtschaftliche Prognosen für wichtig; schließlich brauche die Finanzpolitik für Planung und Steuerung der öffentlichen Aufgaben belastbare Prognosen. Es sei auch richtig, dass der Sachverständigenrat und die Wirtschaftsforschungsinstitute die Regierung beraten würden - das wirke "einer politisch motivierten Manipulation der Prognosen entgegen."

Das Elend mit den Prognosen - gibt es da vielleicht doch eine versöhnliche Lösung? "Man kann uns Ökonomen vorwerfen, dass wir nicht deutlich genug machen, wie unsicher unsere Vorhersagen sind", sagt Holtemöller und präsentiert auch einen Vorschlag, wie Missverständnisse vermieden werden könnten. "Man müsste eigentlich, so wie man die Temperaturen in einer Bandbreite von beispielsweise 13 bis 15 Grad prognostiziert, auch die Wachstumsprognosen mit einer Bandbreite angeben, also etwa zwischen 2,0 und 3,0 Prozent". Die Wirtschaftsforschungsinstitute würden zwar regelmäßig auch solche Prognoseintervalle veröffentlichen, doch "diese werden in der Öffentlichkeit zu wenig beachtet."

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