Wirtschaftskrise:Neuer Streit um den Aufbau Ost

Lesezeit: 2 min

Die Bundesregierung beurteilt den Abschlussbericht der Expertengruppe zum Aufbau Ost unter der Leitung von Klaus von Dohnanyi zurückhaltend. Auch in der Gruppe selbst sind die Vorschläge umstritten. Die Runde, die noch im Frühjahr große Aufmerksamkeit auf sich zog, wird nicht fort bestehen.

Von Andreas Hoffmann

In einer gemeinsamen Stellungnahmen sicherten Clement und Stolpe zwar zu, dass sie die Vorschläge des Gesprächskreises Ost prüfen werden. Zugleich bezweifelten sie aber einzelne Vorhaben des Gremiums, das von Rot-Grün eingerichtet wurde.

Klaus von Dohnanyi. (Foto: Foto: dpa)

Insbesondere dem Plan, einen "Aufbau-Pakt Ost" zwischen Bund, Ländern, Tarifpartnern und Forschungsvertretern einzurichten, erteilten die Minister eine Absage: "Statt abstrakter Symbole müssen wir uns um die konkreten und von Region zu Region immer unterschiedlicher werdenden Schwerpunkte kümmern."

Dazu sei eine Zusammenarbeit der Länder nötig, die unterschiedlich ausfallen könnte. Mal müssten Fachkräfte zusätzlich ausgebildet, mal gezielt Investoren angeworben werden.

Kritisch beurteilten die Minister auch die Idee, die Infrastrukturhilfen zu Gunsten einer direkten Unternehmensförderung zu ändern. Damit würden die Standortbedingungen für die Firmen nicht verbessert und auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Osteuropa könnte leiden, hieß es.

"Nicht zielführend"

Außerdem plädierten alle Wirtschaftsforschungsinstitute und die Spitzenverbände der Ostwirtschaft dafür, die Infrastruktur weiter auszubauen. Auch die geforderte, stärkere Beteiligung des Bundes bei der Ostförderung, die zu einer "sektoralen Steuerung von oben herab" führen könnte, sei "nicht zielführend".

Beide Minister wandten sich gegen die Forderung, einen Sonderbeauftragten für die neuen Länder einzurichten. Es sei nicht sonderlich sinnvoll, einen solchen Koordinator "neben die Regierung zu stellen", meinte Stolpe.

Der Verkehrsminister wollte aber nicht ausschließen, dass er seine jetzige Zuständigkeit für Ostdeutschland abgeben könne. "Das wird der Bundeskanzler mitentscheiden", sagte er.

Clement lehnte es allerdings ab, diese Kompetenz zu übernehmen. Beide Minister stimmten aber auch einem Teil der Vorschläge zu.

Zuvor hatte der Gesprächskreis Ost am Dienstag seinen Abschlussbericht vorgestellt. Neben einem neuen Aufbau-Ost-Pakt und einem Sonderbeauftragten forderten die Fachleute vor allem, das Geld für die neuen Länder umzuwidmen.

Statt Straßen und Schienen weiter auszubauen, sollten die Mittel den Unternehmen direkt zu gute kommen. Die Mittel des Solidarpakt II, die 156 Milliarden Euro bis 2020 vorsehen, sollen beibehalten und konzentriert werden.

Dabei soll der Bund weniger flächendeckend fördern, sondern sich auf so genannte Wachstumskerne konzentrieren. Offen blieb aber, wie diese Wachstumskerne ermittelt werden sollen. Daneben sollen die neuen Länder leichter von bürokratischen Vorgaben abweichen können.

Firmen sollen einfacher Zugang zu Förderkrediten erhalten, ein neuer Fonds für Risiko-Kapital ist geplant. Der Erblastentilgungsfonds soll sich vereinigungsbedingten Lasten im Wohnungsbau und der Wasserversorgung annehmen, zudem soll der Staat einen Niedriglohnsektor mit Zuschüssen fördern.

"Wir brauchen einen gewaltigen Kraftakt", sagte Edgar Most aus dem Gesprächskreis Ost. Ähnlich äußerte sich der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi: "Die Lage im Osten ist dramatisch."

"Wir haben bereits ein Niedriglohngebiet Ost."

Innerhalb des Gesprächskreises sind die Vorschläge aber umstritten. Das DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer, ebenfalls Mitglied des Gesprächskreises, bezeichnete die Pläne als unausgegoren. Einen staatlich bezuschussten Niedriglohnsektor hält er für falsch: "Wir haben bereits ein Niedriglohngebiet Ost."

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus Regierungskreisen ist nicht geplant, den Gesprächskreis fortzusetzen. Die Runde habe ihren Abschlussbericht vorgelegt und damit sei ihre Arbeit erledigt. "In dieser Zusammensetzung ist der Kreis ohnehin tot", hieß es.

Mancher in der Koalition ist sehr verärgert über das Vorgehen einzelner Mitglieder. Besonders Klaus von Dohnanyi wurde vorgeworfen, mit unabgestimmten Papieren in die Öffentlichkeit zu gehen, hieß es.

© SZ vom 30.06.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: