Wirtschaftskrimi um den Kohlebergbau:Die Politik fällt der RAG in den Rücken

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Die Abwicklung des deutschen Kohlebergbaus war bislang eng an die Börsenpläne der Essener RAG geknüpft. Doch insgeheim suchte die nordrhein-westfälische Landespolitik den Kontakt zu Konkurrent Lanxess und arbeitet offenbar an der Zerschlagung des Chemie- und Energiekonzerns.

Hans-Willy Bein

Gegen viele Widerstände hat RAG-Chef Werner Müller die frühere Ruhrkohle auf den Kapitalmarkt vorbereitet. In langwierigen Verhandlungen mit der Politik entwickelte er ein Modell für den Auslauf des Bergbaus (,,schwarzer Bereich'') und für einen Börsengang der Industriesparten Chemie, Energie und Immobilien (,,weißer Bereich'').

Die beiden Säulen Energie sowie Immobilien sollen nach diesem Konzept stabile Renditen sichern, und die Degussa als weltweit größtes Unternehmen der Spezialchemie für Wachstum stehen und Phantasie in die Aktie bringen. Doch das Kohleland Nordrhein-Westfalen scheint von dem Konzept nicht überzeugt zu sein und torpediert es.

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und seine Wirtschaftsministerin Christa Thoben (beide CDU) zeigen sich öffentlich als Befürworter der Börsenpläne. Bei der jüngsten Kohlerunde in Berlin drängte Rüttgers aber darauf, als Alternative eine ,,andere Verwertung des weißen Bereichs'' als den Börsengang in der Satzung der Kohlestiftung zu verankern, die den Auslauf des Bergbaus finanziell begleiten soll.

Gespräche hinter den Kulissen

Hinter den Kulissen führen Ministerpräsident und Wirtschaftsministerin gleichzeitig Gespräche mit Chemie- und Energieunternehmen, die daran interessiert sind, sich bei einer Zerschlagung der RAG aus dem lukrativen Industriegeschäft zu bedienen.

Besonders weit scheinen diese Gespräche mit Axel Heitmann gediehen zu sein, dem Chef des 2005 von Bayer abgespaltenen Chemieunternehmens Lanxess.

Heitmann präsentierte Mitte des Monats vor Banken und Finanzinvestoren in London bereits seine Ideen zur Übernahme der Degussa. Dabei warb er mit der Zustimmung des Landes NRW.

Finanzinvestoren als Geldgeber gesichert

Da sein noch in der Umbauphase steckendes Unternehmen die Finanzierung des von Investmentbanken auf 12 bis 15 Milliarden Euro geschätzten Deals keinesfalls allein stemmen kann, hat er sich den Finanzinvestor KKR und die Bank Goldman Sachs als Geldgeber gesichert.

Gleichzeitig mit der Werbetour in der Finanzwelt warb Heitmann schriftlich in Düsseldorf, aber auch bei der Bundesregierung für eine ,,mögliche alternative Verwertung des RAG-Chemiebereichs''. ,,Ein unabhängiges Chemieunternehmen Lanxess-Degussa würde den Chemiestandort langfristig sichern... sowie ein klares Signal gegen Ausverkauf bzw. die Zerschlagung bedeutender Chemieassets erwirken'', heißt es in dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Lanxess geht nach den in London präsentierten Folien von einem Unternehmenswert der Degussa von vier bis sechs Milliarden Euro aus.

Allerdings hatte die RAG insgesamt knapp acht Milliarden Euro für die Chemietochter ausgegeben. Auch wenn die Degussa mittlerweile ihre Sparte Bauchemie mit einem Umsatz von etwa zwei Milliarden Euro an die BASF verkauft hat, dürften die Lanxess-Preisvorstellungen unrealistisch sein.

Zwischen Lanxess und der Degussa gibt es nach einer Analyse von Morgan Stanley außer in der Verwaltung keine Synergien. Eine Fusion würde nach Einschätzung der Investmentbank daher keinen Mehrwert schaffen.

Allerdings könnte es wegen eines dann möglichen Überhangs in der Verwaltung zum Personalabbau in den zusammengelegten Standorten kommen, gerade in Nordrhein-Westfalen.

Idee von der Übernahme der Lanxess

Angesichts des Ungleichgewichts zwischen Lanxess und der Degussa ist die RAG-Tochter ihrerseits immer wieder mit der Idee einer Übernahme des Konkurrenten konfrontiert worden - pikanterweise auch von Teilen der Düsseldorfer Landesregierung außerhalb des Wirtschaftsministeriums.

Die RAG hatte im vergangenen Jahr einen solchen Schritt prüfen lassen. Mit Hinweis auf verlustreiche Lanxess-Sparten und eine schwache Ertragslage war die Idee aber verworfen worden.

Trotz des momentanen Gegenwinds hält RAG-Chef Müller unverdrossen an seinen Plänen fest. ,,Wir werden den RAG-Konzern an die Börse bringen. Daran wird sich nichts ändern'', sagt er.

Symbolischer Preis

Voraussetzung ist, dass die Großaktionäre Eon, RWE, Thyssen-Krupp und Arcelor Mittal ihre Aktien zum symbolischen Preis von einem Euro an die Stiftung abgeben.

Gerade von Seiten der Großaktionäre gibt es aber zusätzlichen Ärger. RWE wirft Müller bei der Vorbereitung des Börsengangs ,,Pflichtverletzungen'' vor. Müller widerspricht vehement. Der Aufsichtsratsvorsitzende, Eon-Chef Wulf Bernotat, hat eine Anwaltskanzlei mit der Prüfung beauftragt.

Klarheit bringen soll eine außerordentliche Sitzung des RAG-Aufsichtsrates, die vermutlich noch in diesem Monat stattfinden wird.

© SZ vom 02.05.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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