"Wir werden denen den Arsch versohlen":Die IG Metall und der Igel

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Ein Tarifvertrag der Christlichen Gewerkschaft sorgt für Aufruhr.

Uwe Ritzer

Im kleinen Kreis nahm Jürgen Wechsler kein Blatt vor den Mund: "Wir werden denen kräftig den Arsch versohlen", schäumte der Vize-Chef der Nürnberger IG Metall. Den Gewerkschafter erzürnt ein Tarifvertrag, der völlig überraschend ohne Beteiligung der IG Metall zustande gekommen ist - zwischen dem Kabelhersteller Nexans Deutschland Industries (NDI) und der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM).

"Nur wer sich an uns reibt, sticht sich." (Foto: Foto: CGM)

Glaubt man den beiden neuen Vertragspartnern, werden darin zum Preis flexibler Arbeitszeiten und Lohneinbußen von durchschnittlich zwei und maximal zehn Prozent 1800 NDI-Arbeitsplätze in Nürnberg, Hannover, Mönchengladbach und Vacha (Thüringen) gesichert. Glaubt man der IG Metall, haben die Beschäftigten bis zu 30 Prozent weniger Lohn in der Tasche.

Zwei sehr ungleiche Gewerkschaften

Ähnlich widersprüchlich klingt die Vorgeschichte: "Wir haben sehr häufig auf örtlicher und oberer Ebene mit der IG Metall verhandelt, aber sie hat sich kategorisch jeder Gesamtlösung verschlossen", sagt Christof Barklage, Geschäftsführer und Arbeitsdirektor bei NDI.

Er verweist auf eine IG Metall-Zeitung vom Dezember 2004, in der dies dargestellt sei. Barklage: "Da haben wir uns eben nach einem anderen Tarifpartner umgesehen." Die IG Metall nennt das eine "Lüge." Jürgen Ulrich, NDI-Betriebsratsvorsitzender in Nürnberg, verweist auf wiederholte Abstriche der Arbeitnehmer.

Den Tarifvertrag mit der CGM hält er für sittenwidrig und obendrein "eine Riesensauerei". Sein hannoverscher Kollege Rolf Homeyer wirft dem Management vor, "geltendes Recht mit Füßen zu treten."

Ähnlich äußerte sich Hartmut Meine, Bezirksleiter der niedersächsischen IG Metall. Bei einer Protestversammlung vor 250 NDI-Mitarbeitern in Hannover sprach er von einem "Dumping-Tarifvertrag", der unzulässig sei, weil Nexans über die Mitgliedschaft im niedersächsischen Metallarbeitgeberverband an den IG Metall-Tarifvertrag gebunden sei.

Damit flammt auch ein latenter Streit zwischen zwei sehr ungleichen Gewerkschaften neu auf. Die Christliche Gewerkschaft Metall zählt bundesweit 100.000 Mitglieder.

Ihr Symbol ist ein Igel, ihr dazugehöriger Slogan heißt: "Nur wer sich an uns reibt, sticht sich." Tatsächlich ist sie eine Art Stachel im Fleisch der mit 2,4 Millionen Mitgliedern ungleich größeren IG Metall. Man traf sich sogar schon vor Gericht. Das Arbeitsgericht Stuttgart sprach der CGM 2003 den Status einer tariffähigen Gewerkschaft ab; das Landesarbeitsgericht hob das Urteil aber wieder auf.

"Die IG Metall will mit aller Kraft verhindern, dass wir uns als Gewerkschaft etablieren", sagt Detlef Lutz, der für die CGM mit NDI verhandelt hat. Der Tarifvertrag basiere auf jenem, welchen seine Gewerkschaft einst mit Jenoptik-Chef Lothar Späth ausgehandelt habe. Er schließe betriebsbedingte Kündigungen aus.

Diese hätten konkret im Raum gestanden. Der französische Mutterkonzern Nexans, der 2000 aus der Alcatel-Kabelsparte hervorgegangenen ist, 20 000 Beschäftigte zählt und zuletzt 4,9 Milliarden Euro umsetzte, hat Lutz zufolge der Tochter das Messer auf die Brust gesetzt: Kostenreduzierung oder Arbeitsplatzverlagerung nach Osteuropa.

Barklage zufolge schreibt NDI "seit Jahren stark rote Zahlen." Die IG Metall will am 3. November an allen vier deutschen Standorten Protesttage veranstalten. Barklage warnte bereits: "Wir haben einen gültigen Tarifvertrag und damit Friedenspflicht. Streiks wären illegal."

© SZ vom 21.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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