Wettbewerb:Von Fahrtreppen und Fahrstühlen

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Weltweit beherrschen inzwischen nur wenige große Konzerne die Technik - und das Geschäft mit ihr.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Dass Ingenieure die Welt zuweilen anders beschreiben als der Rest der Bevölkerung, zeigt die Rolltreppe mustergültig. "Eine Fahrtreppe besteht zwar aus vielen Rollen", sagt Harald Goessl, der bei Thyssenkrupp für ebendieses Geschäftsfeld verantwortlich zeichnet. "Doch der Passagier fährt auf der Treppe und rollt nicht." Deshalb heißt die Rolltreppe zumindest bei den Ingenieuren des Ruhrkonzerns Fahrtreppe.

Als einziger großer Hersteller fertigt Thyssenkrupp seine Rolltreppen noch in einem Werk in Deutschland: Die Hamburger Fahrtreppen-Fabrik des Dax-Konzerns geht auf die Firma Wimmel & Landgraf zurück, die schon vor 100 Jahren Rolltreppen in Warenhäusern eingebaut hat. Über Kehrhahn und Rheinstahl gelangte das Hamburger Unternehmen im Jahr 1974 an Thyssen. Heute unterhält der Konzern zudem Fahrtreppen-Werke in Spanien und China.

Insgesamt gibt es europaweit mehr als 136 000 Rolltreppen in Kaufhäusern, Bahnhöfen und anderen öffentlichen Gebäuden. Jedes Jahr kommen etwa 5500 hinzu. "Fahrtreppen verkaufen sich weltweit gut", sagt Thyssenkrupp-Manager Goessl. "Besonders stark wachsen derzeit die Märkte in asiatischen Staaten wie den Philippinen, Indonesien, Indien oder China."

Die weltweit tätigen Hersteller bauen die Rolltreppen nicht nur, für gewöhnlich übernehmen sie auch für eine vertraglich vereinbarte Zeit die Wartung - manchmal nur für ein Jahr, manchmal auch für mehr als zehn Jahre. Nach Ablauf dieser Frist können sich auch die Konkurrenten bewerben. Wenn also etwa das Logo von Otis auf einer Fahrtreppe prangt, kann dennoch beispielsweise Schindler für die Wartung zuständig sein.

"In Europa kommt auch immer stärker der Modernisierungsaspekt hinzu", sagt eine Sprecherin von Kone. Der finnische Konzern bringt zunehmend Rolltreppen in älteren Gebäuden wieder auf den neuesten Stand. Kone stellt seine Treppen in China und den USA her, hat aber zudem Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in Finnland, Deutschland und England.

Wie der Pionier Otis sind die großen Rolltreppen-Dienstleister dieser Welt zugleich auch Aufzugbauer. So hat etwa Thyssenkrupp sein weltweites Geschäft mit Fahrtreppen und Fahrstühlen in der Tochter Thyssenkrupp Elevator gebündelt, die seit Jahren die profitabelste Sparte des Ruhrkonzerns ist. Weltweit arbeiten heute mehr als 150 000 Menschen in der Aufzugs- und Rolltreppen-Industrie, davon etwa 18 000 in Deutschland.

In beiden Produktgruppen ist es wichtig, dass immer ein Mechaniker verfügbar ist, falls der Aufzug stecken geblieben ist oder die Rolltreppe nicht mehr anfährt. "Viele Auftraggeber erwarten heutzutage, dass eine Fahrtreppe in 99 Prozent der Zeit verfügbar sein muss", sagt Goessl. In Einkaufszentren sind etwa Filialisten in den Obergeschossen darauf angewiesen, dass die Rolltreppen zuverlässig Kunden empor befördern. Besonders groß ist der Wartungsaufwand im Winter, wenn die Fahrgäste mit ihren Winterschuhen Streusalz oder kleine Steine auf die Treppen tragen.

Im Vergleich zum Aufzug hat die Rolltreppe das Manko, dass etwa Rollstuhlfahrer oder Menschen mit Kinderwagen sie nicht - oder nur schwer - benutzen können. Zwar hat Thyssenkrupp einmal eine Fahrtreppe weiterentwickelt, die nun bei Bedarf auch einen Rollstuhlfahrer befördern kann. "Dies war jedoch bislang ein einmaliger Wunsch eines Kunden", sagt Goessl. Die Hersteller bewerben Aufzug und Rolltreppe vielmehr als ein Geschäft, das sich ergänzt: Die Fahrtreppe transportiert stetig die Massen, der Fahrstuhl befördert bei Bedarf die Passagiere, die schwerer zu schleppen haben.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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