Werbung auf das Handy:Gehen Sie nicht vorbei!

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In Tokios Glitzerviertel Ginza erhalten Passanten künftig Informationen über die unmittelbare Umgebung direkt auf das Handy. Es könnte die Zukunft der modernen Werbung sein.

Paul Trummer

"Gehen Sie nicht vorbei! Günstige Mittagsmenüs inklusive Tee in entspannter Atmosphäre warten auf Sie - an der nächsten Türe rechts!"

Wessen Handy hat hier eben gepiebst? Einkäufer in Tokios Nobelbezirk Ginza. (Foto: Foto: AFP)

Auf diese Art könnten schon bald hungrige Tokioter zum Besuch eines Restaurants eingeladen werden: per SMS auf das Handy.

Möglich macht dies ein Projekt namens "Tokyo Ubiquitous Network Project". Das englische Wort "ubiquitous" bedeutet "allgegenwärtig" und illustriert eindrücklich die mögliche Zukunft des Marketings, die mit diesem Projekt eingeläutet werden soll.

Auch für schwierige Lebenslagen

Mitte Januar startet der Projektversuch im Tokioter Nobelviertel Ginza. Dabei können Geschäfte und Restaurants Werbebotschaften oder Gutscheine via RFID auf Handys oder spezielle Empfangsgeräte von Passanten senden.

Das Kürzel RFID steht für "Radio Frequency Identification" und ermöglicht die genaue Ortung eines Empfangsgerätes. Kommt dieses in die Nähe eines Senders, kann es die angebotene Informationen zur unmittelbaren Umgebung des Trägers abrufen.

Der Bürgermeister von Tokio, Shintaro Ishihara, zeigte sich bei der Präsentation des Projektes begeistert: "Ginza ist die berühmteste Einkaufsgegend Japans. In jedem Gebäude gibt es viele Geschäfte, Bars und Clubs. Da kann es schwierig werden, das zu finden, was man sucht." Das Gerät erleichtere die Navigation auch in schwierigen Lebenslagen: "Nun muss man einfach einen Knopf drücken und findet immer, was man sucht - selbst im betrunkenen Zustand!"

Maßgeschneiderte Werbung - gegen die Werbeflut

Nicht nur in diesen, sondern mittlerweile in fast allen Lebenslagen versucht Werbung, die Aufmerksamkeit potentieller Kunden zu erheischen. Das Ergebnis ist eine maßlose Informationsflut, die täglich über die Konsumenten hereinbricht.

Die Laden- und Restaurantbetreiber in Tokio Ginza machen es jetzt anders: Die Informationen werden gezielt weitergeleitet: Man erfährt buchstäblich im Vorbeigehen, dass es in einem Geschäft günstige Pullover gibt.

In Japan scheint man vom Erfolg überzeugt. Das für das Projekt verantwortliche Institut "Kyushu Institute of Technology" ist ein Joint Venture von einigen der größten Elektronikkonzernen Japans: Klingende Namen wie Fujitsu, NEC und Hitachi finden sich darunter, finanzielle Unterstützung kommt zusätzlich von öffentlichen Stellen. Als finales Ziel des Projekts streben die Forscher ein "allgegenwärtiges Netzwerk an, in welchem Computer und Netzwerke in jedem Aspekt des täglichen Lebens gegenwärtig sind" an.

Dieser Anspruch ist es auch, der die Datenschützer auf den Plan ruft. Sie fürchten den gläsernen Menschen, dessen Standort jederzeit zu orten ist. Ähnliche Bedenken wurden bereits laut, als Nike und iPod eine neue Jogging-Ausrüstung vorstellten, die ebenfalls auf RFID beruht: Der in den Schuhen eingebaute Chip schickt Daten über Laufzeit und Geschwindigkeit auf den iPod - und ermöglicht Interessierten gleichzeitig die Ortung des Läufers.

In Japan teilt man diese Bedenken offenbar nicht. Vielmehr wollen die Forscher noch mehr Informationen über den Nutzer digital speichern. Projektsprecher Hiroaki Hajota denkt bereits an eine Weiterentwicklung: "Für die Zukunft hoffen wir, dass das System verschiedene Nutzer-Typen erkennen und noch individuellere Informationen anbieten kann."

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