Weltwirtschaftsforum:Davos, die Bilanz

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Über die Lage der Welt ist auf dem Weltwirtschaftsforum ausführlich und ernsthaft gesprochen worden. Dafür braucht es Ereignisse wie Davos.

Marc Beise

Das Weltwirtschaftsforum 2007 ist beendet. Fast alle der rund 2400 Teilnehmer sind bereits abgereist, zurück bleibt ein eher trister Wintersportort mit reichem Pistenangebot. Wo aber ist der in den vergangenen Tagen viel beschworene ,,Geist von Davos'' geblieben? Die Bilanz der Wirtschaftsvertreter - darunter die Spitzen von 800 der größten Konzerne der Welt - kann sich vermutlich sehen lassen, verlässliche Zahlen sind nicht erhältlich.

Tony Blair auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos (Foto: Foto: dpa)

Top-Unternehmer berichten über erfolgreiche Geschäfte, die während des Forums in vielen verschwiegenen Ecken der Konferenzzone abgewickelt wurden.

Wie es ein Firmenchef auf dem Weg vom Frühstücksraum zum ersten Termin formuliert hat: ,,Während die anderen die Welt retten, rette ich mein Unternehmen.''

Beinahe zum geflügelten Wort ist die Bemerkung geworden, dass einem drei Tage Davos drei Monate Reisetätigkeit in alle Welt ersparen. Und die Lage der Welt? Über sie ist zumindest ausführlich und ernsthaft gesprochen worden. Das ist ein Wert an und für sich. Drei Beispiele.

Dass, erstens, die Menschheit mit der Natur Raubbau betreibt und an ihrem eigenen Untergang arbeitet, ist bekannt. Rettungsmaßnahmen sind teuer, unbequem und von vielen, häufig gegensätzlichen Interessen bedroht. Weil es aber keinen wohlmeinenden Weltdiktator gibt (und nicht geben darf), führt kein Weg an einer mühsamen Schritt-für-Schritt-Strategie vorbei.

Dafür braucht es Ereignisse wie Davos, wo die Mächtigen der Welt, die immer auch Getriebene und Gefangene ihres eigenen Systems sind, wenigstens miteinander reden. Sie hören Wissenschaftlern zu, beantworten auf dem Podium bohrende Fragen und verständigen sich im Hintergrund auf die eine oder andere gute Maßnahme.

So viele wichtige Menschen - von westlichen Konzernchefs über russische Industriemagnaten bis zu amerikanischen Senatoren - haben in Davos die Gefahren des Klimawandels so ernsthaft und nachdenklich thematisiert, dass der mühsame Kampf gegen die Umweltzerstörung wieder einen kleinen Schritt vorangekommen sein wird. Die Wirtschaft weiß heute, dass Klimapolitik notwendig ist, und sie will sie mitgestalten - das war nicht immer so.

Die Aufbereitung, zweitens, des Palästina-Konflikts durch Davos-Chef Klaus Schwab war beeindruckend. Von der gemeinsamen Veranstaltung maßgeblicher Führer aus Israel und der arabischen Welt über die Filmeinspielungen von Friedenstreffen in Tel Aviv, Ramallah und Jerusalem mit bewegenden Appellen einer zunehmend verzweifelteren Jugend bis hin zu zahlreichen politischen Einzelgesprächen wuchs eine Bereitschaft zur Kooperation, die über Davos hinaus Früchte tragen könnte.

Mit Händen zu greifen war, drittens, auch ein Unbehagen der Mächtigen der Welt über das, was Schwab im Konferenzmotto treffsicher als ,,The shifting Power Equation'' benannt hat, also die Verschiebung des Machtgleichgewichts.

Die alten Strukturen tragen nicht mehr, die Hierarchien verlieren an Bedeutung. China, Indien, Brasilien und viele Schwellenländer setzen sich Schritt für Schritt in der Welt durch. Der Aufstand von unten, auch die neuen Möglichkeiten des Terrorismus lassen die alte amerikanische Weltführungsnation zunehmend ohnmächtig erscheinen, was sogar manchem selbstbewussten US-Politiker zu denken gibt.

Auch im Geschäftsleben verschiebt sich im Zeitalter von Globalisierung und digitaler Revolution die Machtbalance, beispielsweise vom Produzenten zum Verbraucher. Neue Herausforderungen tun sich auf, denen die Großunternehmen, die einen guten Teil der Wirtschaftskraft ihrer Staaten ausmachen, noch weitgehend hilflos gegenüber stehen. Mehr und mehr treten neue Akteure auf den Plan, Jungunternehmer, Einzelkämpfer.

Immer mächtiger werden auch die Finanzinvestoren, die Milliarden von Dollar gehortet haben und damit nun massiv ins Wirtschaftsleben eingreifen wollen. Einige Köpfe dieser Szene waren auch in Davos zu sehen. Zeichen des Wandels.

© SZ vom 29.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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