Weinanbau:Sprizz von der Insel

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In einer britischen Botschaft wird Weißwein serviert - aus der Heimat? (Foto: Alex Brandon/AFP)

Bisher ist England eher für gute hochprozentige Getränke bekannt. Englische Winzer expandieren aber derzeit rasant - und gewinnen nun auch Preise.

Von Björn Finke

Gin, Ale, nördlich des Hadrianswalls Whisky - für diese Alkoholika ist Großbritannien weltweit bekannt. Wer experimentierfreudiger ist, kann sich allerdings auch Wein und Sekt aus dem Vereinigten Königreich genehmigen. Das Geschäft der britischen Winzer boomt jedenfalls. Füllten sie vor sechs Jahren gut drei Millionen Flaschen ab, sind es nun mehr als sechs. Und in den kommenden Jahren soll sich die Produktion noch einmal verdoppeln, schätzt der Branchenverband: Cheers!

Die Weinbauern Ihrer Majestät bepflanzen inzwischen mehr als 2000 Hektar der lieblichen grünen Landschaft auf der Insel. Hier ist das Wachstum ebenfalls rasant - trotzdem bleibt Großbritannien damit ein Winzling der Wein-Welt. In Deutschland gedeihen Trauben auf 100 000 Hektar, in Spanien sind es fast zehnmal so viel.

Die ersten britischen Weinbauern waren die Römer. Heute existieren 470 Güter. Ins Ausland verkaufen sie kaum etwas von ihren Tropfen, aber der Chef des Wein- und Spirituosenhändler-Verbands gibt die Hoffnung nicht auf: "Die englische Weinbranche hat die Qualität und technischen Fertigkeiten, um weltweit mitzuhalten", sagt Miles Beale von der Wine and Spirit Trade Association. Im Export warteten "großartige" Chancen auf die Unternehmen.

Tatsächlich gewinnen Wein und Sekt aus Großbritannien inzwischen viele Preise bei internationalen Wettbewerben, was noch vor wenigen Jahren sehr selten vorkam. Die Tropfen von der Insel sind auch eher teuer, selbst in der Heimat führen die meisten Supermärkte sie nicht.

Der Großteil der Weingüter befindet sich im Südosten Englands, an der Ärmelkanal-Küste mit ihrem milden Golfstrom-Klima. Der Boden dort ist ähnlich dem der französischen Champagne - die beiden Regionen liegen weniger als 200 Kilometer voneinander entfernt. Daher haben sich viele englische Winzer auf Sekt spezialisiert: Darauf entfallen zwei Drittel der Produktion im Königreich. Ein Viertel macht Weißwein aus, der kleine Rest ist Rotwein und Rosé.

Winzer aus den zwei englischen Grafschaften West- und Ost-Sussex wollen nun die Europäische Kommission überzeugen, dass Rebsaft aus ihrer Anbauregion eine geschützte Ursprungsbezeichnung erhält. Dann dürfte sich nur Wein aus dieser Gegend Sussex nennen. Weinkenner würden vielleicht beim Kellner einen trockenen Sussex bestellen, so wie sie jetzt einen trockenen Chianti ordern. Wein-Hochburgen in Deutschland und den übrigen Staaten Europas haben diesen geschützten Status bereits erlangt, für Großbritannien wäre das aber neu.

Es wäre ein weiterer Schritt auf dem langen Weg, als Winzer-Nation ernst genommen zu werden.

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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