Wasser und Digitalisierung:Mehr als Hähne

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Armaturen alleine reichen nicht: Der Traditionshersteller Grohe möchte mit digitalem Wasser­management weltweit wachsen.

Von Helmut Martin-Jung, München

Wasser ist ein höchst merkwürdiger Stoff. Es gefriert zum Beispiel bei null Grad Celsius, am schwersten aber ist es bei einer Temperatur von vier Grad. Deshalb schwimmen Eisberge oben und frieren Gewässer von der Oberfläche her zu. Wasser hat noch andere interessante Eigenschaften, eine aber würde man ihm sicher nicht zusprechen: Digital ist daran erst einmal gar nichts.

Michael Rauterkus will das ändern. Wenn der Chef des Sanitärarmaturenherstellers Grohe von der "Digitalisierung des Wassers" spricht, dann meint er damit freilich nicht den Stoff selbst, sondern sein Management. "Der Wert", sagt Rauterkus, "liegt in den Daten". Das sind beispielsweise Daten, die von Sensoren im Wasserrohr stammen können. Sie messen den Wasserdruck und schalten ab, wenn sie einen Rohrbruch erkannt haben.

Durch die Analyse der gemessenen Werte lasse sich nicht nur ein großer Rohrbruch entdecken, aus dem das Wasser nur so sprudelt, sondern auch sogenannte Mikro-Leckagen. Das sind kleine Lecks, durch die auf Dauer auch viel Wasser verloren geht. "Wir können mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, wenn es ein Problem gibt", sagt Rauterkus.

"Man stellt plötzlich Leute ein, an die man bis vor kurzem noch gar nicht gedacht hätte."

Daten sammeln und analysieren, das gehörte bis vor wenigen Jahren natürlich noch nicht zur Kompetenz eines Herstellers wie Grohe. Dazu war auch ein "Wandel in der Organisationsstruktur" nötig, wie Rauterkus das nennt: "Man stellt plötzlich Leute ein, an die man bis vor kurzem noch gar nicht gedacht hätte." Jeder Zweite der neuen Mitarbeiter habe etwas mit E-Commerce oder Digitalisierung zu tun, sagt Rauterkus.

Um sie von den Anforderungen des täglichen Geschäfts loszulösen, gründete Grohe, das im nordrhein-westfälischen Hemer zu Hause ist, eine digitale Einheit in Düsseldorf, dort arbeiten heute etwa 100 Mitarbeiter, der Chief Digital Officer kam vom Internetkonzern Amazon. Um neue Ideen zu finden, arbeitet Grohe viel mit jungen Unternehmen: "Wir haben uns bereits 350 Start-ups angesehen", sagt Chef Rauterkus. Die neue Digital-Abteilung hat auch direkten Zugang zum Vorstand, sagt Rauterkus. Er fordert einen anderen Umgang mit der Fehlerkultur. Andererseits: "Prozesse müssen schlanker werden, Entscheidungen schnell getroffen werden", sagt er.

Und nicht immer muss Grohe auf der Suche nach neuen Mitarbeitern Leute von außen holen. Auch erfahrene Mitarbeiter hätten oft Lust, etwas Neues zu machen. Der Vorteil dabei: Sie bringen ihre langjährige Erfahrung aus dem Unternehmen in die neuen Projekte mit ein. "Einer der Entwickler in der neuen Abteilung war davor 15 Jahre lang für Armaturen zuständig", erzählt Rauterkus, "der kannte alle Probleme, die es damit geben kann". Nicht jeder könne alles, "aber auch Leute, die jahrelang traditionelle Produkte gemacht haben, sind digital geworden". Den Sprung hätte er früher kaum für möglich gehalten, gesteht er ein. Einerseits ist sich Rauterkus sicher, dass man die Zukunft des Unternehmens nicht mit Ingenieurskunst werde retten können. "Step change kriegen Sie damit nicht hin", sagt er, größere Entwicklungssprünge also. Aber es sei auch gut fürs Unternehmen, wenn zumindest einige Mitarbeiter erkennen, "dass es da interessante Chancen gibt". Die Kunst liege in der Balance zwischen internen und externen Mitarbeitern. "Man darf da auch keinen Fremdkörper schaffen". Und deshalb rotieren einige Mitarbeiter nach ihrer Zeit im Digital-Inkubator wieder zurück in in die normale Organisation.

Ein Unternehmen wie Grohe braucht solche Sprünge, denn sie hat ja ein Problem: Ihre Produkte zählen zu den langlebigeren Gütern, im Durchschnitt würden Dinge wie Armaturen nur alle 15 Jahre ausgetauscht, sagt Rauterkus. "Mit dem normalen Angebot können wir nicht wachsen". Seine Devise: Globale Probleme identifizieren und Lösungen dafür anbieten. Eine solche sei etwa eine Vorrichtung, mit der Wasser wie immer direkt aus dem Hahn kommt, auf Wunsch aber auch gekühlt und mit Kohlensäure versetzt: "So werden wir das Plastik los", sagt Rauterkus mit Blick auf Müllberge von PET-Flaschen.

Für die Sensortechnik, die Lecks meldet, gebe es viel Nachfrage, sagt Rauterkus, auch Versicherer seien sehr interessiert. Von solchen Projekten wünscht er sich noch mehr. Man müsse dabei aber "bei der Marke bleiben". Und nicht alle Ideen hätten ein solches Potenzial, sagt er.

Das Geld für die digitalen Abenteuer muss zumindest derweil noch das alte Geschäft mit Armaturen liefern. Das Traditionsunternehmen, das mittlerweile mehrheitlich der japanischen Lixil Group und der Development Bank of Japan gehört, wird als selbständige Einheit geführt; in den vergangenen zehn Jahren heimste es mehr als 300 Preise für sein Produktdesign ein. Insgesamt beschäftigt es etwa 6000 Mitarbeiter weltweit, 2000 davon in Deutschland.

© SZ vom 23.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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