Was Touristen wissen sollten:Urlaub in der Krise

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Soll man in diesem Sommer noch nach Griechenland reisen? Oder sich doch lieber ein anderes Ziel für die Erholung suchen? Die drängendsten Fragen im Überblick.

Von Michael Kuntz, München/Heraklion

Alexandra, 37, ist unsicher. Die Schaufenstergestalterin aus München und ihr Partner wollen an diesem Wochenende nach Kreta fliegen, im Mietwagen die größte griechische Insel er-kunden. Ein Flugticket haben sie. Nun stellen sie sich die Frage: Was erwartet uns? Hunderttausende Familien haben ihren Sommerurlaub in Griechenland als Pauschalreise vor Monaten gebucht. Das Krisenland erwartet in diesem Jahr 2,5 Millionen deutsche Gäste, 250 000 von ihnen sind gerade da, es werden täglich mehr. Viele fragen sich nach dem Referendum: Ist es eine gute Idee, nach Griechenland zu fahren? Antworten auf heikle Fragen.

Ist es gefährlich, jetzt in Griechenland seinen Urlaub zu verbringen?

Wohl eher nicht. Eine Szene aus diesen Tagen: Die meisten Gäste liegen rund um den Pool, einige wenige spielen sogar Tennis in der Vormittagssonne. Im Mitsis Rimela Beach östlich von Heraklion geht alles seinen gewohnten Gang, und auch die Buffets sind gut gefüllt wie gewohnt. Das Mitsis Rimela Beach ist typisch für die Ferienhotels an der Nordküste von Kreta mit mehreren Hundert Zimmern, wie sie in den Katalogen der Reiseveranstalter zu finden sind.

Etwas anders ist die Situation in einem Stadthotel in Heraklion mit sehr vielen internationalen Gästen. Am Tag nach dem Referendum hatte die Hoteldirektion ein Dutzend Sicherheitsleute an den Eingängen aufmarschieren lassen. Am späten Nachmittag ("Kali spera!") zogen sie wieder ab. Alles war ruhig geblieben. Fazit: Die Bettenburgen der Reiseindustrie trotzen derzeit den politischen Wirren. Der Einzelreisende bekommt schon eher etwas von der Ungewissheit im Land mit.

Wie entscheiden sich Urlauber, die noch die freie Wahl haben?

Die Reiseportale im Internet melden einen Einbruch der Buchungen und Suchanfragen, die Griechenland betreffen. Bei Opodo.de spricht man von 30 bis 70 Prozent weniger Buchungen als vor einem Jahr. Bereits in der Woche vor dem Referendum verzeichneten Kayak.de und Swoodoo.de acht Prozent weniger Anfragen. Auch um sieben Prozent gesunkene Flugpreise stoppen diesen Rückgang nicht.

Kann ich meine Pauschalreise kostenlos stornieren?

Nein, das würde eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes voraussetzen. Der Reiseveranstalter Tui hält das auch nicht für nötig: "Größere Probleme gibt es bislang nicht. Die von uns zugesagten Leistungen können uneingeschränkt erbracht werden." Die Tui bringt jeden dritten Urlauber nach Griechenland. Ein Sprecher: "Die Versorgung mit Bargeld, Lebensmitteln und Benzin ist gesichert." Pauschalreisende generell können sich bei Problemen vor Ort an ihre Reiseleitung wenden - Alleinreisende sind auf sich selbst gestellt. Nur in Notfällen helfen ihnen die Konsulate.

Kann ich kostenfrei umbuchen?

Nein, das geht nur, wenn sich der Reiseveranstalter kulant zeigt.

Sollte man genug Bargeld mitnehmen?

Das empfiehlt unter anderem der Deutsche Reiseverband DRV. Kreditkarten werden immer funktionieren, versichert der griechische Tourismusverband. Noch gibt es für Ausländer mehr als 60 Euro am Geldautomaten - aber nur, wenn er gefüllt ist.

Geldscheine in kleiner Stückelung und Euro-Münzen machen Urlauber von allen Eventualitäten unabhängig. Davon sollte man möglichst wenig bei sich tragen. Das Auswärtige Amt warnt vor Taschendieben.

Werden Lebensmittel knapp?

Da gehen die Berichte aus den verschiedenen Landesteilen auseinander. Bei Lidl auf Kreta jedenfalls stürzten sich die Kunden nicht auf Lebensmittel, sondern auf Textilien. Die gab es im Sonderangebot.

Ein Hoteldirektor sagt, er kaufe überwiegend in seiner Region ein, und da mache er sich keine Sorgen. Frische Ware müsse rasch verkauft werden, bevor sie verdirbt.

Reicht das Benzin?

Auch das scheint regional verschieden zu sein. Volltanken in kurzen Abständen schützt hier vor Überraschungen.

Wie kann ich mich verständigen?

Das Referendum hat das Land erst in zwei Lager gespalten, das Ergebnis dann alle verunsichert. Griechen unter Griechen diskutieren engagiert und gern lautstark - auf Griechisch. Der ausländische Urlauber muss sich dann in Tavernen oder auch auf Straßen und Plätzen jemanden suchen, der ihm die Situation erklärt, meist auf Englisch. Er wird so jemanden finden, an diesem Punkt funktioniert sie noch, die berühmte Gastfreundschaft, die "Filoxenia".

Ist es unangenehm, jetzt in Griechenland seinen Urlaub zu verbringen?

Das kommt darauf an. Wer im Ferienhotel absteigt, bucht klare Verhältnisse: Der Gast geht zum Buffet oder bestellt an der Bar, das Personal räumt meist nur noch die Tische ab und serviert die Drinks. Wer nicht danach fragt, erfährt normalerweise nichts von der Lage im Land.

Wer auf eigene Faust unterwegs ist oder seine Ferienanlage verlässt, wird schon eher in Gespräche verwickelt - auch weniger angenehme. Recht schnell sowohl im Souvenirshop als auch in der Taverne wird die Vergangenheit der Deutschen ein Thema. Ob man schon mal was von Göring gehört hat? Finanzminister Schäuble agiere nun auch als eine Art Reichsfeldmarschall für Europa, sagt der Wirt zu deutschen Gästen. Kurz vorher hat er ihnen noch erklärt, dass er extra in sein Heimatdorf gefahren sei, um für Europa abzustimmen. Eine diffuse Situation, in die man schnell gerät.

Der Ladenbesitzer behauptet mal eben, die Nationalsozialisten hätten mit der Beute aus Griechenland den Rommel-Feldzug in Afrika finanziert. Die Frage, wann er geboren sei, ignoriert er. Wie sein Kunde gehört er der Nachkriegsgeneration an. Der Deutsche reagiert subtil. Er kauft dem Griechen einen für Münzsammler eingeschweißten Satz der letzten Drachmen ab, gegen 15 Euro in bar. Urlaub geht anders.

Wenn so etwas Schule macht, dann gute Nacht für das Reiseland, das die Deutschen so sehr mögen. Auf Griechisch: Kali nichta.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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