Was kommt:Skandale der Vergangenheit

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Kommende Woche jährt sich zum 80. Mal der Todestag von Kurt Tucholsky, dem großen Journalisten und Schriftsteller. Und sonst? Nichts los. Also wagen wir einen prophetischen Blick ins nächste Jahr.

Von Ulrich Schäfer

Kommende Woche jährt sich zum 80. Mal der Todestag von Kurt Tucholsky, dem großen Journalisten und Schriftsteller . Und sonst? Nichts los. Die stade Zeit beginnt. Also wagen wir, mit Tucholsky, schon mal einen prophetischen Blick ins nächste Jahr: Was kommt 2016? Wer wird die Hinterlassenschaften des Jahres 2015 aufräumen?

Fangen wir mit Volkswagen an, dem Skandal-Konzern der vergangenen Monate. Die Diesel-Affäre, davon ist auszugehen, wird uns auch das gesamte Jahr 2016 begleiten. Selbst Matthias Müller, der neue VW-Chef, könnte noch in Not geraten - nämlich dann, wenn er nicht entschlossen genug aufklären sollte oder der Versuchung nachgäbe, manches unter den Tisch zu kehren. Wie sagte Tucholsky: "Man fällt nicht über seine Fehler. Man fällt immer über seine Feinde, die diese Fehler ausnutzen."

Die Skandale der Vergangenheit überwinden will auch John Cryan. Der ebenfalls noch recht neue Chef der Deutschen Bank möchte dem größten Geldhaus der Republik eine "neue Bescheidenheit" beibringen. Alle Achtung! Doch das so leicht nicht fallen, denn dazu muss der Brite die Kultur der Wir-wollen-eine Rendite-von-25-Prozent-Bank in zentralen Bereichen gründlich ändern. Mit Tucholsky ließe sich die Versuchsanordnung, der Cryan sich gegenüber sieht, so beschreiben: "Einer hackt Holz und dreiunddreißig stehen herum. Die bilden die Zentrale."

Mario Draghi dagegen hat weniger ein Problem mit einer zu hohen, gar 25-prozentigen Rendite - sondern mit dem glatten Gegenteil: zu wenig Rendite. Der Präsident der Europäischen Zentralbank wird auch nächstes Jahr seine Politik des billigen, nahezu kostenlosen Geldes fortsetzen. Klar, Draghi will damit den Euro retten. Doch wenn die Bürger auf ihr Erspartes dauerhaft keine Zinsen mehr bekommen, könnten sie - Tucholsky hat's geahnt - irgendwann auf den Gedanken kommen: "Geld ist weder ein Zahlungsmittel noch ein Tauschmittel, auch ist es keine Fiktion, vor allem aber ist es kein Geld."

Weil die EZB der Politik bloß Zeit kauft (und die Politik diese Zeit nicht für Reformen zu nutzen weiß), wird die Euro-Krise zurückkehren. Jean-Claude Juncker und Donald Tusk werden auch 2016 zu allerlei Krisengipfeln laden, man wird weitere Milliarden für weitere Rettungspakete zusammenkehren. Tucholsky hat es 1931, mitten in der Weltwirtschaftskrise, so beschrieben: "Jede Wirtschaft beruht auf dem Kreditsystem, das heißt auf der irrtümlichen Annahme, der andre werde gepumptes Geld zurückzahlen. Tut er das nicht, so erfolgt eine sog. ,Stützungsaktion', bei der alle, bis auf den Staat, gut verdienen."

Auch der Streit um die Flüchtlinge in Europa wird weitergehen, die Debatte: Wer hilft wie sehr? Hier die Willigen um Angela Merkel und Werner Faymann. Dort die Unwilligen, vor allem aus Osteuropa. Dazu zweierlei von Tucholsky: "Wie sprechen Menschen mit Menschen? Aneinander vorbei." Und: "Streitende sollten wissen, dass nie einer ganz recht hat und der andere ganz unrecht."

Was noch? Wem all dies zu viel ist, zu anstrengend, zu komplex, dem sei mit Tucholsky gesagt: "Lasst uns das Leben genießen, solange wir es nicht begreifen."

© SZ vom 19.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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