Wahlkampf in Frankreich:Texaner kleben Franzosen

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Früher klebten freiwillige Helfer die Wahlkampfplakate. Doch dieses Mal bringt eine Firma die Präsidentschaftskandidaten zur Geltung - die kommt ausgerechnet aus den USA.

Michael Kläsgen

Ausgerechnet Texaner. Ausgerechnet in Frankreich. Doch die Amerikaner legten einfach das günstigste Angebot vor und verdrängten damit sogar den französischen Reklameriesen JCDecaux. So geht es halt zu in der Marktwirtschaft. Da hilft auch das Zetern der drei trotzkistischen und der zwei rechtsradikalen Kandidaten nicht.

Seit Anfang der Woche klebt das US-Unternehmen Clear Channel aus San Texas die Plakate mit den zwölf Bewerbern um das Amt des französischen Staatspräsidenten. (Foto: Foto: dpa)

Seit Anfang der Woche, rechtzeitig zur Eröffnung des offiziellen Wahlkampfs in Frankreich, klebt nun das US-Unternehmen Clear Channel aus San Antonio die Plakate mit den zwölf Bewerbern um das Amt des französischen Staatspräsidenten. Erstmals hat damit ein Privatunternehmen die gesamte Klebearbeit in einem französischen Wahlkampf übernommen.

Früher erledigten das freiwillige Helfer oder die Mitglieder der Parteien. Weil diese aber dazu neigten, das Konterfei der politischen Gegner mit ihren eigenen Botschaften zuzukleistern, gab der Staat die Aufgabe in private Hände. Und nicht nur das. Er legte auch genau fest, wie die Plakate anzubringen sind.

So muss Clear Channel haargenau auf den gleichen Abstand zwischen allen zwölf Aspiranten achten. Alle Plakate müssen darüber hinaus gleich groß und in der gleichen Höhe aufgehängt werden. Die Parteien dürfen nur den Inhalt und die Botschaften gestalten - und immerhin im Nachhinein kontrollieren, ob die Texaner auch keinen Fehler gemacht haben.

Sogar die Reihenfolge, in der das weltweit größte Reklameunternehmen die Polit-Poster nebeneinander installiert, ist vom Staat vorgeschrieben. Der Verfassungsrat, das oberste Gericht, ging nicht etwa nach Alphabet vor, sondern loste wie beim Lotto aus, wer neben wem vom Plakat grinsen darf. Zwischen Bordeaux und Straßburg, Dünkirchen und Marseille ist deshalb nun ganz links immer der trotzkistische Briefträger Olivier Besancenot und ganz rechts der Umfragen-Favorit Nicolas Sarkozy zu sehen.

Der Sinn hinter der strikten Ordnung: Es soll, wie sich das für Frankreich gehört, republikanisch zugehen und jeder soll die gleiche Chance haben, vom Wahlvolk wahrgenommen zu werden. Ebenso wird die Sendezeit in Hörfunk und Fernsehen exakt zwischen den Bewerbern aufgeteilt, was den Wahlkampf für die Bürger bisweilen recht steril erscheinen lässt.

Beinahe hätten die Franzosen ganz auf die Plakatwerbung verzichten müssen. Als die 1800 Mitarbeiter des US-Unternehmens in Frankreich erfuhren, dass Clear Channel drei Millionen Euro für die Aktion kassiert und die Hälfte davon angeblich an Gewinn einstreicht, forderten sie einen größeren Teil vom Kuchen.

Viele von ihnen verdienen kaum mehr als den Mindestlohn von 8,27 Euro pro Stunde, die Gehälter der meisten sind seit vier Jahren nicht mehr erhöht worden. Hunderte Mitarbeiter traten deswegen eine Woche lang in den Streik und gefährdeten damit den Start der Klebeaktion.

Sie drohten, eine Million gedruckter Plakate in den Lagerräumen vergammeln und die 85.00 Wahllokale bis zum ersten Urnengang am 22. April verwaist zu lassen. Gewerkschafter machten Stimmung. Clear Channel haftete in Frankreich plötzlich der gleiche unheilvolle Ruf an wie der US-Supermarktkette Wal-Mart. Die gilt auch in Frankreich als Vertreter des besonders arbeitnehmerfeindlichen Kapitalismus.

Die französische Filiale der Texaner bei Paris konnte einen Eklat kurz vor Ostern gerade noch so abwenden. Das Unternehmen, zu dessen Mutterkonzern Clear Channel Communications in den USA 1200 Radiostationen gehören, legte eine Einmalzahlung von 250 Euro und eine Gehaltserhöhung von 50 Euro pro Monat drauf. Genug offenbar, um wieder mit dem Kleben zu beginnen.

© SZ vom 12. April 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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