Wahlkampf der Grünen:Eine Frage des Antriebs

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Noch zu Fuß: Grüne Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Im Kampf gegen den schmutzigen Diesel wettert keine Partei so laut wie die Grünen. Das erschwert die Suche nach einem passenden Bus für den Wahlkampf der Partei.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Wie waren die Dinge doch einfach bei der letzten Bundestagswahl. Da peste Jürgen Trittin im grün lackierten VW-Bus durch die Republik. "Jürgen auf Tour" war quer über die Seite geklebt, dazu das Konterfei des grünen Spitzenkandidaten. Fraktionschefin Renate Künast reiste unter dem Label "Renate ist unterwegs", ebenfalls im VW Multivan. Und, klar, das grüne Spitzenpersonal tourte mit Diesel. Interessierte ja damals noch keinen so richtig.

Anders 2017. Im Dieselskandal haben sich die Grünen an die Spitze der Kritiker gesetzt; wie keine andere Partei wettert sie gegen die Luftbelastung durch übermäßige Stickoxid-Emissionen vom schmutzigen Diesel. Seit ihrem jüngsten Parteitag fassen sie sogar den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor ins Auge - und dann selber im Diesel durch die Republik touren? Im Frühsommer wurde der Parteispitze klar, dass das nicht geht. Niemand ahnte, welche Odyssee damit beginnen würde.

Der Vorteil von Kleinbussen ist, dass sie eine gepflegte Unterhaltung selbst bei der Fortbewegung erlauben. Die komfortableren Modelle gruppieren die sechs Sitze im Fond um einen Tisch. So manches Interview lässt sich dort während des Wahlkampfs führen, auf dem Weg von A nach B. Auch bietet das mobile Zimmerchen mit Schiebetür einen willkommenen Rückzugsort für Zwischendurch. Genau so ein Bus sollte es sein für die Deutschland-Tour des Spitzenduos Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt. Nur eben ohne Diesel.

Fiat führt so einen Kleinbus, den "Ducato Natural Power". Er tankt Erdgas, in der Variante "Luxus Panorama" würde er alle Anforderungen eines Wahlkampf-Mobils erfüllen. Auch Mercedes könnte aushelfen, mit einer Erdgas-Variante des Sprinters.

Problem 1: die Tankstellen. Diesel hat ungeachtet aller jüngeren Krisen den Vorteil, dass er sich überall tanken lässt. Nicht so Erdgas. Also machten sich die Grünen Wahlkampfstrategen an die Umplanung ihrer Touren. Sie legten die Routen so fest, dass immer eine Tankfüllung in Reichweite war. Wie sähe das auch aus: Die Grünen, unterwegs mit einem alternativen Kraftstoff, und dann auf freier Strecke liegen geblieben? Womöglich noch mit Journalisten an Bord?

So weit aber wird es nicht kommen, dafür sorgt Problem 2: Ein Fiat Ducato mit Erdgas-Antrieb ließ sich nirgends auftreiben. Ähnlich bei Daimler. Der Stuttgarter Konzern verwies an seine Niederlassungen, die Grünen telefonierten sie ab - bis in die Niederlande. Doch nicht einmal in dem erdgasfreundlichen Nachbarland war ein dieselfreier Bus zu haben. Ein Opel Vivaro wäre noch zu haben gewesen, doch die Deutsche Umwelthilfe riet ab, wegen zu hoher Abgaswerte. Eine unabhängige Abgas-Untersuchung habe Opel abgelehnt, klagt die Partei. So ließen die Grünen die Bus-Idee sausen. Stattdessen sollten es jetzt ganz einfach mehrere Autos sein, mit Elektro- oder Hybrid-Antrieb. Ganz einfach?

Tesla rief für sein Model X die Kleinigkeit von 5600 Euro pro Auto und Monat auf - zu viel, fanden die Grünen. Ohnehin wollten sie am liebsten ein sauberes Auto aus heimischer Erzeugung. VW allerdings vermeldete einen Engpass beim Hybrid-Passat GTE, BMW empfahl als Alternative zum Diesel einen Benziner. Die Fahrzeugsuche, sagt Grünen-Chef Cem Özdemir, "hat uns noch einmal direkt vor Augen geführt, wie dick das Lastenheft für die deutsche Automobilindustrie im Moment ist".

Wie durch ein Wunder trieb BMW dann doch noch ein paar Hybrid-Autos für die Grünen auf, insgesamt sechs Stück. Damit reisen Spitzenkandidaten, Partei- und Fraktionschefs nun zwar ohne Tisch und viel Platz, aber dafür mit besserem Gewissen und dem unfreiwilligen Komfort dicker Limousinen. Aufkleber und Konterfeis sind schon in Arbeit, nur werden sie etwas kleiner als auf den Bussen von 2013. Eine Sprachregelung für ihre Odyssee hat die Partei auch schon entwickelt. "Es ist an der Zeit, dass die Grünen an die Regierung kommen", sagt Spitzenkandidat Özdemir, "und den Autostandort Deutschland zukunftsfähig machen." Ganz klar: Es ist Wahlkampf.

© SZ vom 25.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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