VW/Porsche:Toyota überholen

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Eine der spannendsten Geschichten aus der Wirtschaft ist in diesem Jahr die faktische Übernahme von Volkswagen durch Porsche. Und zwar aus vier Gründen.

Michael Kuntz

Erstens positioniert sich VW gerade neu im globalen Wettbewerb und drängt vom heutigen fünften Platz unter den größten Autoherstellern nach vorn. Toyota überholen, lautet die griffige Formel, mit der der seit Jahresbeginn amtierende Konzernchef Martin Winterkorn in Wolfsburg für Aufbruchstimmung sorgt. Das Ziel ist anspruchsvoll. Es soll 2018 erreicht werden. Die Japaner rangeln derzeit mit General Motors um Platz eins bei den Stückzahlen produzierter Autos.

Zweitens ist es der kleinen Sportwagenfirma Porsche gelungen, über Spekulationsgeschäfte rund um die Aktienkäufe die Herrschaft über den - gemessen an der Zahl der hergestellten Autos - etwa sechzig Mal so großen VW-Konzern faktisch kostenfrei zu erlangen. Der Deal finanzierte sich an den Kapitalmärkten selbst. Das allein ist äußerst spektakulär.

Drittens enthält die Porsche/VW-Story auch prickelnde Elemente, welche die niederen Instinkte des Publikums bedienen. Da ist der Prozess um die VW-Affäre um die bevorzugte Behandlung von Betriebsräten. Da ist dann die umstrittene Person des Ferdinand Piëch, der von Sex auf Firmenkosten als damaliger Konzernchef angeblich nichts gewusst hat.

Der Clanchef des von den Familien Piëch und Porsche beherrschten VW-Großaktionärs Porsche lässt nun die jahrzehntelange Idylle des vom Land Niedersachsen und der IG Metall beherrschten Kuschel-Konzerns zerstören - durch seinen ersten Angestellten Wendelin Wiedeking, den Vorstandsvorsitzenden von Porsche. Der freilich sorgt derzeit selbst für bundesweite Empörung, weil er für seine Leistungen als auch schon vorher bestbezahlter Manager der Republik im vorigen Geschäftsjahr an die 60 Millionen Euro bekommen haben soll.

Das also ist die Gemengelage bei Volkswagen und Porsche zwischen Weihnachten und Neujahr. Und damit kommt Punkt vier auf der Liste der Faszinosa beim größten Familienkonglomerat Europas: Das ist die Balance der Macht. Es ist zu einfach zu sagen, Ferdinand Piëch ziehe im Hintergrund alle Fäden. Das mag aktuell sogar noch stimmen. Doch es ist nur die halbe Wahrheit.

Denn tatsächlich herrscht ein Hybrid-Management. Mehrere paarweise Kombinationen von Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten sorgen für jenen Schub, der einen weltweit tätigen Fahrzeugkonzern mit einem Angebot vom Kleinstauto bis zum Schwerlastwagen formen wird.

Da sind an der Spitze von Volkswagen der zuvor schon bei Audi so erfolgreiche Techniker Winterkorn und sein drängelnder Aufsichtsrat Wiedeking, von dem die Geschichte kursiert, dass er am vierten Advent zwei Kerzen vor den Spiegel stellt, um noch ein paar Cent zu sparen. Wiedeking selbst ist Teil der Hybrid-Kombination mit Holger Härter, dem derzeit genialen Finanzvorstand von Porsche, der aus der Sportwagenfirma eine Zockerbude gemacht hat, die Milliardengewinne an den Märkten macht und bilanziell betrachtet nur noch nebenbei Autos produziert. Das Rezept Härters für den Kauf von VW-Papieren wird längst auch beim Ausbau der Anteile an den Herstellern von Nutzfahrzeugen MAN und Scania angewendet. Hybrid überall: MAN-Chef Håkan Samuelsson und sein Scania-Feind Leif Östling dürfen separat stolze Ergebnisse abliefern, was den Wert der Anteile ihres gemeinsamen Großaktionärs VW erhöht.

Piëch selbst übrigens ist neuerdings auch Teil einer solchen Kombination. Denn mit Wolfgang Porsche hat in diesem Jahr sowohl bei der Sportwagenfirma Porsche als auch bei der neuen Porsche Holding der Vertreter jenes Familienstammes den Vorsitz der Aufsichtsräte übernommen, der verglichen mit den Piëchs über eine ganz leichte Kapitalmehrheit verfügt.

Es entstand eine Gemengelage, bei der sich niemand seiner Rolle gänzlich sicher sein kann, bei der alles möglich scheint, bei der nun seit mehr als zwei Jahren die an interessanten Geschichten interessierten Finanzmärkte intelligent unterhalten werden - auf eine die Phantasie von Anlegern anregende Weise, die für Bewegung bei den Aktienkursen sorgt.

© SZ vom 27.12.2007/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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