VW übernimmt Scania:Lkw-Dreierfusion rückt näher

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Volkswagen stockt seinen Anteil am schwedischen Lkw-Hersteller Scania auf - und hält damit nun alle Fäden für die gewünschte Dreierallianz mit MAN in der Hand.

Nach langem Tauziehen trennten sich die schwedischen Großaktionäre von Scania, die Stiftungen der Familie Wallenberg und die von ihr kontrollierte Investor AB, für umgerechnet knapp 2,9 Milliarden Euro von ihrem Aktienpaket an dem fünftgrößten europäischen Nutzfahrzeughersteller. Dies teilten Investor und VW am Monatag mit.

Volkswagen sagte den Schweden zu, Scania als selbstständiges Unternehmen zu erhalten, will aber Chancen für eine Kooperation mit deren Rivalen MAN ausloten. Der Münchener Konzern, an dem VW fast 30 Prozent hält, macht sich nun ebenso neue Hoffnungen. Vor gut einem Jahr war MAN-Chef Hakan Samuelsson mit einem zehn Milliarden Euro schweren Übernahmeangebot für Scania am Widerstand von Investor gescheitert.

Wallenberg liefert Rechtfertigung

Investor-Chef Jacob Wallenberg rechtfertigte das Vorgehen, nun an VW zu verkaufen. Scania sei inzwischen rund 40 Prozent mehr wert als MAN geboten hatte. VW zahlt je 200 schwedische Kronen für die stimmrechtsstarken A-Aktien von Scania, die am Montag um 3,5 Prozent auf 176,50 Kronen zulegten. Durch den Erwerb von knapp 135 Millionen stimmrechtsstarken A-Aktien hält VW nun mit 68,8 Prozent der Stimmen eine deutliche Mehrheit an Scania. Zusammen mit MAN kommt VW auf mehr als 85 Prozent. Auch nach Kapitalanteilen halten VW (37,7 Prozent) und MAN (13,3) nun mehr als 50 Prozent an Scania.

MAN- und Volkswagen-Aktien waren die einzigen Gewinner im Dax. Die Analysten von Cheuvreux werteten die Übernahme durch Volkswagen als Durchbruch für einen Zusammenschluss von MAN, Scania und dem VW-Geschäft mit schweren Lkw, das bisher auf Südamerika beschränkt ist. Die MAN-Aktie schoss um knapp fünf Prozent nach oben.

Volkswagen und Investor erklärten, Scania solle als Premium-Marke weiterentwickelt werden. "Sowohl Volkswagen als auch Investor sehen die Transaktion als beste Lösung für Scania und Schweden an", sagte VW-Chef Martin Winterkorn. Wallenberg erklärte, VW werde "seinen Einfluss mit dem Ziel nutzen, den langfristigen Wert für alle Aktionäre zu maximieren". Volkswagen unterstütze die Strategie des Scania-Vorstands. Änderungen in der Struktur zum Nachteil der Mitarbeiter seien "auf absehbare Zeit" nicht geplant.

"Fähiger Aktionär"

"Die vergangenen acht Jahre haben gezeigt, dass Volkswagen ein fähiger und verantwortungsbewusster industrieller Aktionär ist", sagte Jacob Wallenberg.

Eine mit den Gesprächen vertraute Person sagte, Wallenberg habe Zusagen von VW gefordert, um den Verkauf in Schweden rechtfertigen zu können. Dazu gehöre, dass der Sitz von Scania in Schweden bleibe und dass Forschung und Entwicklung von Scania nicht abgezogen würden. Verhandelt hätten VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech und Jacob Wallenberg. MAN sei zu keiner Zeit in die Gespräche einbezogen worden, sagten mehrere Manager aus der Branche.

Eine VW-Sprecherin erläuterte, der Konzern wolle nun mit MAN und Scania weitere Kooperationsmöglichkeiten ausloten. "Wir haben jetzt nicht die große Lösung verkündet", betonte sie.

VW ist seit dem Jahr 2000 an Scania beteiligt. Nachdem MAN mit seinem Übernahmeversuch bei den schwedischen Großaktionären von Scania und Vorstandschef Leif Östling auf Granit gebissen hatte, hatten die Wolfsburger das Heft in die Hand genommen und ihren Anteil bei MAN auf fast 30 Prozent ausgebaut. Dennoch stockten die Verhandlungen mit Scania seit dem vergangenen Frühjahr.

MAN-Vorstandschef Samuelsson, selbst früher im Vorstand von Scania, hatte auf eine einvernehmliche Lösung gedrängt, zuletzt aber keinen Zeitrahmen mehr genannt.

VW plant nach der Aufstockung seines Scania-Anteils keine Änderungen im Management des schwedischen Lkw-Bauers. "Es wird keine Änderung im Scania-Management geben", sagte VW-Chef Winterkorn in Stockholm. Auch gebe es keine Pläne für Strukturveränderungen, vor allem nicht im Hinblick auf die Mitarbeiter. "Wir glauben an diese Firma und sind uns sicher, dass Scania sein profitables Wachstum fortsetzen wird."

Die Papiere profitierten von den Nachrichten: Die MAN-Aktie zeigte sich nach der Beteiligungserhöhung von VW an Scania sehr fest.

Wieder Bewegung im Kurs

Ein Händler sagte: "Die Blockade von Investor hatte den MAN-Kurs ausgebremst und jetzt kommt wieder Bewegung rein. Die plötzliche und überraschende Initiative von VW ist somit vor allem auch für MAN positiv". MAN selbst begrüßte die Transaktion ebenfalls, da sie die Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit mit Scania und Volkswagen Nutzfahrzeuge verbessere.

"Das sind gute Nachrichten für VW und sein Lastwagengeschäft", schrieb Analyst Tim Schuldt von Equinet. Nun sei ein Übernahmeangebot von VW für MAN denkbar. Zwar seien Synergieeffekte wahrscheinlich, aber zu Beginn rechnet der Experte mit Restrukturierungskosten. Wegen der gesunkenen Sektor-Bewertungskennziffern bestätigte Schuldt die VW-Aktie mit "Sell" und einem Kursziel von 126 Euro.

Man könnte darauf spekulieren, dass der Aufschwung im Lastwagengeschäft zu Ende sei, nachdem die Wallenberg-Familie ihren Anteil an Scania verkauft habe, schrieb Analyst Jose Asumendi von der WestLB. Andererseits sei ein Marktrückgang in Europa noch nicht klar.

Zudem sei MAN bei einer Kooperation mit VW und Scania mehr wert und habe auch mehr Potenzial, als wenn das Unternehmen als allein stehende Einheit betrachtet werde. Daher bleibe die Einstufung für das Papier des Nutzfahrzeugherstellers "Buy". Das Kursziel sieht Asumendi bei 128 Euro.

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