VW-Prozess:Freiheit für Klaus Volkert

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Im VW-Prozess fordert die Verteidigung, den früheren Betriebsratschef Volkert nicht zu bestrafen.

Michael Kuntz, Braunschweig

Das letzte Wort des Angeklagten Klaus Volkert fiel kurz aus: "Ich möchte nichts mehr sagen", sagte der gelernte Schmied und frühere VW-Betriebratsvorsitzende im Saal 141 des Landgerichtes Braunschweig. Mit aschfahlem Gesicht verfolgte der einstige starke Mann in Europas größtem Autokonzern, wie die Riege seiner drei Verteidiger nach zwölf Verhandlungstagen für ihn einen Freispruch forderten. Doch den halten alle im Gerichtssaal für ziemlich unwahrscheinlich. Die Frage bei der Urteilsverkündung am Freitag wird vor allem sein, ob Volkert wegen seiner Rolle in der VW-Affäre um Lustreisen und Sonderzahlungen mehr als zwei Jahre Haft bekommt und dann ins Gefängnis muss.

Volkerts Chefverteidiger Johann Schwenn verlangt vom Gericht, dass Volkert nach den Grundsätzen zu behandeln sei wie der frühere VW-Personalvorstand Peter Hartz. Die mit den selben Berufsrichtern besetzte Kammer hatte Hartz bereits Anfang 2007 zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren und einer Geldstrafe von 576.000 Euro verurteilt. Damals hatte sich das Gericht auf den Deal eingelassen, der Hartz eine ausführliche Hauptverhandlung erspart hat. Auch Volkert legte ein Geständnis ab, aber anders als Hartz hatte Volkert selbst Rede und Antwort gestanden.

Schwenn kritisierte heftig die Strafverfolger der Justiz in Braunschweig. Für ihn sei der Eindruck entstanden, es handele sich um eine Als-ob-Staatsanwaltschaft. Die Befragung des Zeugen Ferdinand Piëch sei "desinteressiert" erfolgt. Auch wenn die Fakten für einen Anfangsverdacht gegen den heutigen Vorsitzenden des VW-Aufsichtsrates nicht ausreichten, so hätte man sich doch etwas mehr bemühen müssen, um herauszubekommen, wie weit Piëch von den Privilegien der Betriebsräte wusste, die es während seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender von Volkswagen gegeben hat.

Misstrauen - gegen alles und jeden

Piëch habe im Gerichtssaal gesessen als personifiziertes Misstrauen gegen alles und jeden. Ausgerechnet an diesem Mann soll jedoch der Gegenstand dieses Verfahrens vorbeigegangen sein, das könne man nicht im Ernst glauben, kritisierte Schwenn. Auch der Verteidiger des Ex-Personal-Managers Klaus-Joachim Gebauer, der schleswig-holsteinische FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, warf der Staatsanwaltschaft eine "assymmetrische Wahrnehmung von Sachverhalten" vor. Gebauer sei bei Volkswagen für die Organisation von Zusammenkünften zwischen Betriebsrat und Management Bestandteil eines Systems VW gewesen, bei dem er im Auftrag von Hartz den Betriebsrat gut behandeln und insbesondere dessen Vorsitzendem Volkert jeden Wunsch erfüllen sollte - wobei auch Prostituierte die Stimmung hoben. Kubicki hält für seinen sozusagen weisungsgebundenen und ziemlich kooperativen Mandanten eine Verwarnung von 90 Tagessätzen à 20 Euro für angemessen.

Vergangene Woche hatte Oberstaatsanwalt Ralf Tacke für Volkert eine Strafe von drei Jahren und neun Monaten ohne Bewährung beantragt, wegen Anstiftung zur Untreue in 48 Fällen und Verstoßes gegen das Betriebsverfassungsgesetz. Für Gebauer hatte er eine Bewährungsstrafe von 18 Monaten wegen Anstiftung zum Betrug verlangt.

Richterin Gerstin Dreyer will das Urteil am Freitag verkünden. Angesichts des juristischen Neulandes, was die Bewertung von Verfehlungen eines führenden Betriebsrates angeht und der Aussicht auf eine Gefängnisstrafe für Volkert halten Prozessbeobachter eine Revisionsverhandlung für gut möglich - vielleicht werden sogar Staatsanwaltschaft und Verteidigung beide in die nächste Instanz wollen.

© SZ vom 19.02.2008/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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