Vorbild VW-Gesetz:IG Metall fordert Vetorecht

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IG-Metall-Chef Huber will die Sonderrechte, die das VW-Gesetz den Arbeitnehmern im Aufsichtsrat einräumt, auf andere Konzerne übertragen. "Dann wären weder Nokia in Bochum noch AEG in Nürnberg dem rein profitorientierten Kapitalismus zum Opfer gefallen", sagte Huber der Süddeutschen Zeitung.

Karl-Heinz Büschemann, Sibylle Haas und Michael Kuntz

Der Entwurf von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) zu einem neuen VW-Gesetz sieht weitreichende Vetorechte für die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat vor. Da etwa Betriebsverlagerungen nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsrat möglich sind, können die Arbeitnehmer solche Entscheidungen zu Fall bringen.

IG-Metall-Chef Berthold Huber: "Wir haben in Deutschland nicht zu viel, sondern eher zu wenig Mitbestimmung der Arbeitnehmer". (Foto: Foto: AP)

Das VW-Gesetz sei ein gutes Beispiel dafür, wie Unternehmen auf den globalisierten Märkten überleben könne, sagte IG-Metall-Chef Berthold Huber. "Wir haben in Deutschland nicht zu viel, sondern eher zu wenig Mitbestimmung der Arbeitnehmer". Volkswagen habe sich nicht trotz, sondern wegen der Mitbestimmung so gut entwickelt, betonte er. Auch Porsche habe sich nicht von den weitreichenden Arbeitnehmerrechten abschrecken lassen, sondern sei mit vielen Milliarden Euro bei Volkswagen eingestiegen. Huber erinnerte daran, dass Volkswagen aus Gewerkschaftsvermögen entstanden ist, das von den Nazis beschlagnahmt wurde. "Jedem, der Anteile an Volkswagen erwirbt, muss diese historische Verantwortung bewusst sein", sagte der Gewerkschafter.

Der Europäische Gerichtshof hatte im Oktober 2007 im Kern das VW-Gesetz gekippt. Doch auf Druck des VW-Betriebsrates und unter tatkräftiger Mitarbeit der niedersächsischen Landesregierung bereitet die Bundesregierung eine Neufassung des Gesetzes vor, dass auch in Zukunft schwerwiegende Entscheidungen eine 80-Prozent-Mehrheit in der Hauptversammlung brauchen. Das Land Niedersachsen hätte damit de facto ein Vetorecht.

Porsche-Chef Wiedeking zeigte sich enttäuscht von den Plänen in Berlin. Er hatte den kompletten Wegfall des VW-Gesetzes erwartet. Einflussreiche Personen im Bundesverband der Deutschen Industrie sagen, es gebe nur geringe Chancen, den Plan zur Neuauflage des Gesetzes noch zu verhindern. Porsche arbeitet zügig weiter an der Übernahme von Volkswagen. Das soll offenbar noch vor der VW-Hauptversammlung geschehen, die am 24. April in Hamburg stattfindet. Teil des Planes ist, dass Wolfgang Porsche, der starke Mann und Vorsitzende im Porsche-Aufsichtsrat, in das Kontrollgremium von Volkswagen einziehen soll.

Der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer, der zwölf Jahre lang im VW-Aufsichtsrat saß, wird den Stuhl räumen. Vertraute zitieren ihn mit den Worten, er habe keine Lust mehr, "in einem Aufsichtsrat mitzuarbeiten, der völlig von Porsche dominiert wird". An der Spitze des VW-Aufsichtsrates steht bereits Ferdinand Piëch, der auch Gesellschafter von Porsche ist. Zudem sind in dem Kontrollgremium der Porsche-Vorstandsvorsitzende Wendelin Wiedeking und Finanzchef Holger Härter vertreten.Auch andere Aufsichtsräte würden das Gremium bald verlassen, heißt es.

"Dann ist der Aufsichtsrat weitgehend entmachtet"

Ein VW-Kontrolleur sagte der SZ, dass Porsche den Ausbau der Beteiligung auf 75 Prozent anstrebe, um einen Beherrschungsvertrag abzuschließen, der die Rechte des Vorstandes weitgehend einschränkt. "Dann ist der Aufsichtsrat weitgehend entmachtet". Porsche teilte allerdings mit, die Wahrscheinlichkeit, dass eine 75-Prozent-Beteiligung zustande komme, sei "äußerst gering". Der Grund sei, dass das Land Niedersachsen bereits 20 Prozent an VW hält. Vor diesem Hintergrund sei es kaum möglich, genügend Aktien an der Börse zu erwerben. Auch bei der VW-Tochter Audi, wo noch kein Vertreter von Porsche im Aufsichtsrat sitzt, strebt Porsche drei Sitze an, und zwar für Ferdinand Piëch, Wendelin Wiedeking und Holger Härter.

Unterdessen erhalten die Mitarbeiter der Volkswagen AG eine Beteiligung am Erfolg des vorigen Geschäftsjahres in Rekordhöhe. Über die im Tarifvertrag vereinbarten zehn Prozent vom operativen Ergebnis der Marke Volkswagen hinaus gibt es eine Sonderzahlung. Die 86.000 Mitarbeiter der Aktiengesellschaft erhalten damit jeweils 3700 Euro. Ein Jahr zuvor hatte die Zahlung nur 2710 Euro betragen. Wer sich engagiere und gute Arbeit liefere, müsse dafür belohnt werden, sagte Horst Neumann, der Personalvorstand von Volkswagen. Die Mannschaft habe maßgeblich zur Restrukturierung des Unternehmens beigetragen, "indem sie ohne Lohnausgleich zu normalen Arbeitzeiten zurückgekehrt ist". Betriebsratsvorsitzender Bernd Osterloh betont: "Unsere Arbeitsplätze bleiben langfristig erhalten - das ist überhaupt nicht selbstverständlich in unserer Branche." Der Vorstand habe den Beschäftigten konkrete Zusagen für die jeweiligen Standorte gemacht und beteilige die Belegschaft deutlich am wirtschaftlichen Erfolg.

© SZ vom 11.03.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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