Vor der Hauptversammlung:Der große Widerspruch

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BMW hat Milliarden in die Entwicklung seiner Elektroautos investiert. Das klingt gut. Doch der Verkauf läuft schleppend. Manche Aktionäre verlieren nun die Geduld.

Von Thomas Fromm, München

Alle sprechen von Elektroautos, aber auf den Straßen fahren vor allem Benziner und Autos mit Dieselmotoren. Alle sprechen darüber, dass Autos kleiner werden müssen, und darüber, dass die Innenstädte wieder mehr am Menschen statt am Blech ausgerichtet werden sollen.

Aber die Autos werden nicht kleiner, sie werden eher: immer größer.

Es gibt kaum eine Branche, in der Theorie und Praxis, Visionen und Alltagsrealität derzeit so weit auseinanderfallen wie in der Autoindustrie. Wer nun nach einem Autokonzern sucht, an dem sich die Widersprüche dieser Zeit besonders gut festmachen lassen, findet das wohl beste Anschauungsmaterial für die Gratwanderung dieser Branche in München. Bei BMW.

BMW-Chef Harald Krüger muss sich am Donnerstag den Aktionären stellen - und die E-Auto- Strategie erklären. Collage: SZ; Fotos: F. Peljak/dpa, BMW (Foto: sz)

Es beginnt mit dem eigenen Selbstverständnis, und das schon sehr früh. "Der erste Umweltschutzbeauftragte der gesamten Automobilbranche nahm bereits 1973 seine Arbeit bei BMW auf", rühmt sich das Unternehmen. Dass 2009 dann der frühere Außenminister und Grünen-Oberrealo Joschka Fischer Berater des milliardenschweren Autokonzerns wurde, empfanden einige zwar als bizarr, aber irgendwie war es auch wieder folgerichtig: Der Konzern aus München legt großen Wert auf sein Image als nachhaltiges Unternehmen - und lässt sich dies auch einiges kosten.

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Die Revolution der Autowelt kostet viel Geld, sagt das Management

Zwischen den dicken, spritschluckenden X6-SUVs oder 7er-Limousinen und dem kleinen Elektrowagen i3 liegen zwar Welten - aber auch genug Platz für Nachhaltigkeitsdebatten. Als Joschka Fischer vor drei Jahren für einen BMW-Spot in einem elektrischen i3 herumfuhr, sagte er: "Wunderschönes Fahrgefühl. Isch bin beeindruckt."

Bevor der Konzern seine Elektroauto-Serie mit dem i3 startete, spulten die Marketing-Verantwortlichen in München ein monatelanges Programm ab, um auf das Ereignis vorzubereiten: Von Moses Lake im US-Bundesstaat Washington, wo man mit CO₂-neutraler Wasserkraft die dünnen, dunkelanthrazitfarbenen Karbonfasern für die neuen Leichtbaumodelle herstellt, ins Landshuter Werk, wo man mit natürlichen Lüftungslamellen den Energieeinsatz verkleinerte, bis ins Werk Leipzig, wo man die Energie für den Bau von i3 und i8 aus eigenen vier Windkrafträdern bezieht. Milliarden investierte der Konzern in Carbon-Leichtbau, Elektromotoren und Sitzleder, das mit natürlichen Olivenölextrakten gegerbt wird - so schick kann Nachhaltigkeit sein. "Darum stehen wir seit sieben Jahren als nachhaltigstes Automobilunternehmen an der Spitze des Dow Jones Sustainability Index", sagte der damalige BMW-Chef Norbert Reithofer bei der Hauptversammlung des Konzerns im Mai 2012.

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Zu den Punkten, die BMW laut Nachhaltigkeitsbericht unter anderem wichtig sind: Man werde "den Ressourcenverbrauch (Energie, Wasser, Abfall, Lösungsmittel)" pro produziertem Fahrzeug bis 2020 im Vergleich zu 2006 um 45 Prozent senken.

Natürlich ist es nicht so, dass Elektro- und Hybridautos schon per se grün wären. Die Entsorgung der großen (und rohstoffintensiven) Lithium-Ionen-Batterien ist derzeit noch problematisch, und mehr Elektroautos würden erst einmal auch bedeuten: mehr giftiger Elektroschrott. Und dann ist da noch die Frage nach dem Strom. Kommt der aus erneuerbaren Energiequellen? Oder - wegen des aktuellen Strommixes in Deutschland - nicht doch eher aus fossilen Energiequellen?

Es sind legitime Fragen. Aber sie stellen sich womöglich erst in Zukunft, denn nur knapp 30 000 i-Fahrzeuge setzte BMW im vergangenen Jahr ab - bei über zwei Millionen verkauften Fahrzeugen insgesamt. Die Frage ist also eine andere: Wovon lebt BMW, bis es so weit ist mit der Elektromobilität? Die Antwort gab BMW-Chef Harald Krüger im vorigen Sommer, als er den neuen 7er präsentierte. Darin "steckt alles, was wir bei BMW können", pries er die mittlerweile sechste Generation der Luxuslimousine. Bayerns Antwort auf die Stuttgarter S-Klasse ist ein Schlachtschiff mit Laserscheinwerfern, vollautomatischem Einparkservice und um die 300 PS. Es ist, wenn man so will, die große Melkmaschine der Münchner: Das teure Flaggschiff bringt das, was die E-Autos noch nicht bringen: dicke Renditen. Weil das so ist, baut BMW auch in Zukunft große Autos. Ein Groß-SUV, der X7, soll kommen; die PS-starke M-Reihe wird wachsen.

Die Revolution der neuen Autowelt koste viel Geld, sagt man bei BMW. Bezahlt werden soll sie mit den Einnahmen aus der alten Autowelt. Mit Geländewagen und Limousinen.

Wenn am Donnerstag dieser Woche die Aktionäre des Herstellers zur Hauptversammlung nach München kommen, werden sie diese Strategie womöglich kaum kritisieren. Zum 100-jährigen Bestehen fuhr der Konzern mit seinen 122 244 Mitarbeitern im vergangenen Jahr einen Gewinn von 6,4 Milliarden Euro ein - ein Plus von zehn Prozent. Das lag kaum am i3. Ist es also richtig, mit großen, teuren und PS-starken Limousinen Elektromotoren, Carbon-Leichtbau und olivenölgegerbte Ledersitze zu finanzieren?

Beim Dachverband der Kritischen Aktionäre in Köln heißt es zu dieser Strategie: Aus Sicht des Autobauers sei das zwar "verständlich". Aber "klimapolitisch nicht gut". Viel, heißt es dort, habe man bei BMW derzeit "nicht zu kritisieren". Nur dass viele Autos - wie auch bei den anderen Konzernen - gerade immer größer statt kleiner würden, sei bedenklich. "Das ist aus unserer Sicht nicht nachhaltig, diese Entwicklung sollte gestoppt werden." Beispiel: Der Mini, der seit Jahren immer größer und voluminöser wird. "Man sieht mittlerweile mehr Maxi-Cooper", heißt es beim Verband der Kritischen Aktionäre. Andere Aktionäre sehen das wiederum ganz anders: In einem Gegenantrag zur Hauptversammlung, den BMW auf seiner Internetseite veröffentlicht, kritisiert eine Aktionärin, dass sich möglicherweise auch das Unternehmen an staatlichen Kaufprämien für Elektroautos beteiligen werde. Dies bedeute "eine Reduzierung des Gewinns der Gesellschaft und damit eine Schlechterstellung der Aktionäre". Es bestehe "das Risiko, dass sich diese Form der E-Mobilität nicht durchsetzt". Fazit: Der Vorstand komme hier seiner "Sorgfaltspflicht nicht nach". Kritische Aktionäre wollen ein klares Bekenntnis zu E-Autos, andere wollen genau das nicht. Es ist, wie gesagt, für die Industrie eine Zeit der großen Widersprüche.

© SZ vom 10.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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