Von Apple zu VW:Einmal USA und zurück

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Johann Jungwirth wechselt zum 1. November von Apple zu Volkswagen. (Foto: dpa)

Mitten in der Krise wirbt Volkswagen einen deutschen Automanager von Apple ab: Johann Jungwirth war einer der wichtigsten Experten für die Vernetzung von Autos und Technologien für selbstfahrende Fahrzeuge im Silicon Valley.

Von Thomas Fromm, München

Wenn ein Konzern wie VW richtig in der Krise steckt, dann ist nicht nur interessant zu sehen, welche Manager das Schiff verlassen (oder verlassen müssen). Dann lohnt auch ein Blick auf diejenigen, die sich der Konzern neu an Bord holt.

Am Dienstag teilte Volkswagen überraschend mit, dass man den 42-jährigen Manager Johann Jungwirth bereits zum 1. November als Chef des neuen Bereichs Digitalisierungsstrategie anheuert - ein Managementposten, der so hoch angesiedelt ist, dass von hier direkt an VW-Chef Matthias Müller berichtet wird. Das ist einerseits interessant, weil VW damit zeigt, dass man, mitten in der Affäre um schmutzigen Diesel, an die Zukunft denkt - und die liegt für die Autohersteller vor allem in der Vernetzung ihrer Fahrzeuge. Bei der Personalie geht es aber um mehr: Jungwirth ist in der Szene kein Unbekannter. Der Manager hatte fünf Jahre lang das US-Entwicklungszentrum von Mercedes-Benz in den USA geleitet. Mit anderen Worten: Er war ganz nah dran am Silicon Valley, ganz nah dran am Puls der Zeit. Jungwirth war einer der wichtigsten Experten für die Vernetzung von Autos und Technologien für selbstfahrende Fahrzeuge.

Dann, im vergangenen Jahr, warb ihn der IT-Konzern Apple ab. Ausgerechnet Apple: Was genau der Deutsche dort gemacht hat, darüber wurde immer nur spekuliert. Er war offiziell "Director" für die Entwicklung von Mac-Computersystemen, aber jeder wusste, dass sich Apple schon seit langem mit mehr beschäftigt als mit Computern und anderen Elektronik-Geräten. Die Kalifornier arbeiten an eigenen, selbstfahrenden Elektro-Autos, ebenso wie der IT-Nachbar Google. Und Jungwirth, der Mann aus der schwäbischen Autoindustrie, galt nicht nur als IT-Experte, sondern auch als jemand, der sich mit Autos auskennt. Für einen IT-Konzern, der keine Auto-Expertise hat, sind solche Leute an der Grenze von High-Tech und altem Autogeschäft Gold wert. Insofern lässt der schnelle Wechsel aufhorchen: Dass jemand von der alten in die neue Welt wechselt, ist keine Seltenheit mehr. Dass er nach einem Jahr wieder in die alte Welt zurückkehrt, schon.

Apple arbeitet an einem Autoprojekt mit dem Code-Namen "Titan" - nur rätselt die Autogemeinde seit Monaten darüber, ob die Amerikaner ihre Fahrzeuge am Ende selbst bauen werden, oder ob es ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nur um die Forschung und das Entwickeln geht. Am Ende nämlich könnte es so sein wie mit den Smartphones: Man entwickelt, aber lässt irgendwo auf der Welt von jemand anderem produzieren. "Hier im Valley weiß man, dass auf einen erfolgreichen Versuch 100 Fehler kommen, und man honoriert den Mut, es immer wieder zu versuchen", sagte Jungwirth vor kurzem über die Arbeit in den USA. Eine programmatische Ansage, kurz vor dem Wechsel zu den Wolfsburgern: Gerade in der alten VW-Kultur tat man sich schwer mit Neuerungen und Veränderungen, die über PS, Benzin und Autodesign hinausgingen.

VW ist im Umbruch: In den vergangenen Wochen hat der Konzern bereits einige seiner Spitzenkräfte wegen der Dieselaffäre beurlaubt, es gibt interne Ermittlungen und Untersuchungen. Daher warnen die ersten Branchenkenner bereits: VW brauche dringend neues Personal - Ingenieure von außen, die neue Ideen und Impulse mitbrächten. Jungwirth dürfte nun dazu gehören.

© SZ vom 11.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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