Virtuelles Wasserwerk:TÜV Süd lockt Hacker an

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Zu Testzwecken installierte der einstige Prüfkonzern ein virtuelles Wasserwerk im Netz und lockte damit Hacker an. Mehr als 60000 ungebetene Zugriffe wurden registriert - und die kamen nicht nur von Kriminellen, sondern "auch von Freunden".

Von Michael Kuntz, München

Wie laufen Attacken auf die Datensicherheit praktisch ab? Um dies besser zu verstehen, hat der TÜV Süd ein virtuelles Wasserwerk in das Internet gestellt. "Während der achtmonatigen Laufzeit unseres Projekts hatten wir mehr als 60 000 ungebetene Zugriffe aus aller Welt - allen voran aus China, den USA und Südkorea", berichtet TÜV-Chef Axel Stepken und schränkt ein: "Wobei die IP-Adressen keine belastbare Aussage über die Herkunft der Besucher ermöglichen, zumal viele von ihnen verschleierte IP-Adressen nutzten."

Letztlich sei es auch egal, wo potenzielle Angreifer physisch sitzen. Attacken auf ein Computer-Netzwerk können von jedem Ort der Welt aus erfolgen. Sie kommen nicht nur von "Schurkenstaaten", kriminellen Banden, sondern auch "wie wir mit Erstaunen erlebt haben - selbst von Verbündeten und Freunden". Beim Wasserwerk hätte theoretisch die chemische Dosierung der Aufbereitungsanlage manipuliert werden können. Nicht nur dort, etwa auch beim sich vollautomatisch bewegenden Auto seien daher besondere Ansprüche zu erfüllen, wenn es um die Freigabe von Verfahren geht. Stepken sieht hier ein großes Betätigungsfeld für den TÜV, weil er sich nicht nur bei der Software auskennt, sondern auch bei den technischen Geräten, die damit gesteuert werden. Die Zukunft des TÜV werde wohl nicht nur darin bestehen, etwas zu zertifizieren, sondern bereits bei der Gestaltung sicherer Schnittstellen zwischen Netzwerken und klassischer Technik zu beraten. Stepken baut dafür in Singapur und München eine Digital-Unit auf, deren Chef direkt an ihn berichtet.

In Singapur ist der mit 150 Jahren älteste deutsche Technische Überwachungsverein seit zehn Jahren tätig. An weltweit gut 800 Standorten arbeitet mittlerweile mehr als die Hälfte der Belegschaft. Zu ihr gehören 24 000 Mitarbeiter, wobei 1300 durch die Übernahme der spanischen Atisae-Gruppe Anfang Februar dazu gekommen sind. Die setzt 80 Millionen Euro um, und in dieser Größenordnung dürfte, wie in der Branche üblich, auch ihr Kaufpreis gelegen haben. Dabei handelt es sich um die größte Einzelinvestition des TÜV Süd. Der konnte 2015 seinen Umsatz um acht Prozent auf 2,2 Milliarden Euro steigern. Der Jahresüberschuss stieg um neun Prozent auf 114 Millionen Euro. Zum Jubiläum spendet der TÜV fünf Millionen Euro für junge Leute, die sich ihre Ausbildung sonst nicht leisten könnten.

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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