Vertraulicher Bericht:Bundesrechnungshof attackiert Arbeitsvermittler

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Langzeitarbeitslose müssen einem Prüfbericht zufolge oft monatelang warten, bis sich ein Vermittler um sie kümmert. Außerdem bekommen die Agenturen den Missbrauch beim Arbeitslosengeld II nicht in den Griff: Die Angaben der Antragsteller werden oft kaum überprüft.

Ulrich Schäfer

Mehr als ein Jahr nach dem Start von Hartz IV weise die Vermittlungsarbeit "zum Teil erhebliche Mängel auf", schreibt der Rechnungshof in einem vertraulichen Bericht für den Bundestag.

Ein Mann wartet in der Arbeitsagentur Gelsenkirchen darauf, seinen Arbeitslosengeld-II-Antrag abzugeben. (Foto: Foto: dpa)

Meist unterhalten Bundesagentur und Kommunen gemeinsam Agenturen, um Langzeitarbeitslose zu betreuen. Im Schnitt, so der Bericht, vergehen drei Monate, ehe ein Betreuer mit ihnen "ein qualifiziertes Erstgespräch" führt, und vier Monate, ehe eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen wird, in der das weitere Vorgehen verbindlich festgelegt wird.

"Subjektive Vermögensprüfung"

In sieben von zehn Fällen sei es anschließend nicht gelungen, dem Arbeitslosen eine Stelle, eine Ausbildung oder eine Fortbildung zu verschaffen oder diese auch nur in Aussicht zu stellen. Über die Arbeitsvermittler schreibt der Rechnungshof: "Überwiegend unterbreiteten sie keine Vermittlungsvorschläge und unterließen es, die Ergebnisse von Bewerbungen und Vorstellungen auszuwerten sowie im Bedarfsfall notwendige Eigenbemühungen der Hilfebedürftigen einzufordern." Mit einem Drittel der Arbeitslosen hätten die Vermittler "noch keinerlei strategische Gespräche geführt".

Die Agenturen kontrollieren nach Ansicht des Bundesrechnungshofs zudem nur unzureichend, ob ein Langzeitarbeitsloser Anspruch auf das Arbeitslosengeld II hat. So hätten die Sachbearbeiter in sieben von zehn Fällen die Vermögensverhältnisse des Antragsstellers "nicht oder nicht ausreichend geprüft". In den meisten Fällen hätten sie weder Kontoauszüge angefordert noch sich bei Immobilien einen Auszug aus dem Grundbuch vorlegen lassen.

"Es kann nicht hingenommen werden, dass die auf einer subjektiven Einschätzung beruhende, pauschale Aussage eines Antragstellers, über kein Vermögen zu verfügen, jede Vermögensprüfung ausschließt", schreibt der Rechnungshof.

"Wir können nur begrenzt eingreifen"

Die Agenturen hätten zudem bei Arbeitslosen, die sich krank melden, häufig erst nach sechs Monaten nachgeforscht, ob diese tatsächlich nicht arbeiten können. In sechs von zehn Fällen gingen die Vermittler zudem nicht Hinweisen nach, dass ein Langzeitarbeitsloser gegen Auflagen verstößt.

In der Mehrzahl dieser Fälle hätten die Langzeitarbeitslosen sich trotz entsprechender Belehrung nicht regelmäßig gemeldet. Oder sie hätten sich geweigert, einen Ein-Euro-Job anzunehmen, ohne hierfür einen wichtigen Grund nachzuweisen. Bei Ausländern versäumten es die Agenturen in mehr als jedem fünften Fall zu prüfen, ob diese überhaupt eine deutsche Arbeitserlaubnis besitzen oder erhalten können.

Ein Sprecher der Bundesagentur (BA) bezeichnete die Ergebnisse als "nicht überraschend". Ähnliches habe die interne Revision der Bundesagentur herausgefunden. Meist beruhten Schwierigkeiten auf dem Zusammenspiel zwischen Kommune und BA: "Wir können da nur begrenzt eingreifen", sagte der Sprecher. Mit neuem Personal will die BA nun mehr Einfluss nehmen.

Korrekturen geplant

Der Bericht dürfte die Debatte über weitere Änderungen an der rot-grünen Arbeitsmarktreform befördern. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte erst am Samstag in einem Interview der Süddeutschen Zeitung gesagt, das Gesetz zur Korrektur von Hartz IV sei "wahrscheinlich nicht das letzte, sondern es werden weitere Schritte folgen".

Auch Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) und SPD-Fraktionschef Peter Struck sprachen sich für Korrekturen aus. "Wir wollen, dass nur diejenigen Hartz IV bekommen, die auch wirklich bedürftig sind", sagte Struck. Allein für das Arbeitslosengeld II wird der Bund 2006 wahrscheinlich 28 Milliarden Euro ausgeben müssen, doppelt so viel wie vor eineinhalb Jahren erwartet.

Das Bundesarbeitsministerium führt die Probleme bei der Vermittlung vor allem auf Startschwierigkeiten zurück. Der Rechnungshof hat hingegen im Laufe der 15 Monate "nur leichte qualitative Verbesserungen der Eingliederungsbemühungen" festgestellt. Die Prüfer hatten die Arbeit der Vermittler zwischen Januar 2005, dem Start der Arbeitsmarktreform, und dem März 2006 kontrolliert.

Ein kritisches Urteil fällt der Rechnungshof auch über die so genannten Ein-Euro-Jobs. Für ein Viertel der Ein-Euro-Jobs, die die Agenturen bezahlen, lägen nicht die Fördervoraussetzungen vor, weil die Jobs nicht im öffentlichen Interesse sind, sie nicht neu geschaffen wurden oder Wettbewerbern schaden.

© SZ vom 22.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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